Shogun
Seide herüberbringen. Alles das wird sich bald ändern. Meine Flotte wird nur ein Anfang sein …
Zufrieden kehrte Blackthorne zu Naga zurück und verabredete, was morgen geschehen sollte. Dann stieg er zu seinem provisorischen Haus hinauf, dort aß er Reis und dünne Scheiben rohen Fisches, die einer seiner Köche für ihn zubereitet hatte … er fand sie köstlich, nahm noch eine Portion und lachte.
»Euer Gnaden?«
»Nichts.« Aber im Geist sah er Mariko vor sich und hörte sie sagen: Oh, Anjin-san, eines Tage erleben wir es vielleicht sogar, daß Ihr rohen Fisch mögt, und dann seid Ihr auf dem Weg ins Nirwana … dem Ort des vollkommenen Friedens.
Ach, Mariko, dachte er, wie ich mich freue, daß Ihr wirklich die Absolution bekommen habt. Ich danke Ihr.
Für was, Anjin-san? hörte er sie sagen.
Für mein Leben, Mariko, Geliebte. Sie …
Oft sprach er in den folgenden Tagen und Nächten auf diese Weise mit ihr, durchlebte nochmals ihr gemeinsames Leben, berichtete ihr, was heute geschehen, spürte ihre Gegenwart sehr deutlich, ja, so deutlich, daß er sogar über die Schulter zurückblickte und erwartete, sie dort stehen zu sehen.
So zum Beispiel heute morgen, Mariko. Aber statt Euer stand Buntaro mit dem Tsukku-san da, und beide sahen mich mit blitzenden Augen an. Ich hatte zwar mein Schwert, aber er hatte seinen großen Bogen in der Hand. Hast du zugesehen? Du wärest sehr stolz auf mich gewesen, so gelassen war ich, so sehr Samurai, und mein Gesicht unbewegt wie Stein. Über den Tsukku-san ließ er mir steif sagen: »Die Dame Kiritsubo und die Dame Sazuko haben mir berichtet, wie Ihr die Ehre meiner Gemahlin und ihre Ehre verteidigt habt. Wie Ihr sie vor der Schande bewahrt habt. Ich danke Euch, Anjin-san. Bitte, verzeiht mir meinen Mangel an Manieren. Ich bitte um Verzeihung und danke Euch.« Und dann verneigte er sich vor mir und ging davon.
Viele Male hatte Blackthorne sich umgeschaut in der Erwartung, sie hinter sich stehen zu sehen. Sie war immer bei ihm, und er wußte, er würde sie in guten Zeiten und in schweren Zeiten lieben, selbst im Winter seines Lebens noch. Am Rand seiner Träume war sie immer gegenwärtig. Und jetzt waren diese Träume gut, sehr gut sogar; denn außer um sie kreisten sie um Zeichnungen und Pläne und um ihre Galionsfigur, die Segel, wie man den Kiel legte und das Schiff baute, und zuletzt, ach, diese Freude, um das endgültige Aussehen der Dame unter vollen Segeln, wie der steife Südwest sie blähte, das Schiff den Kanal hinauflief, das letzte Stück Wegs vor sich. Die Fallen knarrten, die Spiere sich auf einen Backbordschlag einstellten, und dann – »Setzt alle Segel! Toppsegel, Großsegel, Bramsegel und Oberbramsegel!« – sie jede Handbreit Segel ausnutzen lassen, und die Segel flattern beim Halsen zum nächsten Schlag, und dann: »Volle Fahrt voraus!«, wie jedes Stück Leinwand seinem Ruf antwortete, und schließlich, endlich, schön geschwungen, eine Dame von unschätzbarer Schönheit, die vor Beachy Head ein letztes Mal nach Steuerbord halste, um in den Hafen von London einzulaufen …
Sein Gefolge um sich geschart, kam Toranaga die Anhöhe in der Nähe des Lagers herauf geritten. Auf seiner Faust saß Kogo. Er hatte unten an der Küste gejagt, und jetzt wollte er in die Berge hinterm Dorf hinauf. Die Sonne würde erst in zwei Stunden untergehen, und er wollte die Helligkeit ausnutzen, schließlich wußte er nicht, ob und wann er jemals Zeit haben würde, wieder auf die Beize zu gehen.
Der heutige Tag war für mich, dachte er. Morgen ziehe ich in den Krieg, den heutigen Tag brauchte ich, um mein Haus zu bestellen, mußte ich so tun, als wären der Kwanto und Izu sicher und meine Nachfolge geregelt … als hätte ich noch einen Winter vor mir und könnte im Frühling dann in Muße wieder auf die Jagd gehen. Aber die Jagd heute war sehr gut.
Zweimal hatte Tetsu-ko zugeschlagen. Sie war wie ein Traum geflogen, nie besser, auch damals nicht, als er mit Naga in der Nähe von Anjiro gejagt hatte … jener herrliche, unvergeßliche Sturzflug, um diesen schlauen alten Tauberich zu schlagen. Heute war ihr ein Kranich zum Opfer gefallen, der viel größer war als sie selbst. Ein Fasan war von den Hunden aufgestöbert worden, er hatte das Falkenweibchen angeworfen, und sie war kreisend in schwindelnde Höhen aufgestiegen. Dann, als der Fasan wieder ins Freie huschte, hatte das sich Hinabstürzen begonnen, das er nie vergessen würde. Sie hatte ihre Beute mit
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