Shogun
unvergleichlicher Präzision geschlagen.
Jetzt war er auf Hasen aus. Ihm war eingefallen, daß der Anjin-san sich über einen Braten freuen würde. Deshalb hatte Toranaga beschlossen, für Fleisch im Topf zu sorgen. Er trieb sein Pferd zur Eile an, denn er wollte nicht mit leeren Händen zurückkehren.
Seine Vorreiter ließen das Lager links liegen und ritten den gewundenen Pfad bis zum Kamm des Hügels hinauf.
Kritisch ließ er den Blick über das Lager schweifen, suchte nach Gefahrenpunkten, fand jedoch keine. Was er sah, waren Männer, die mit ihren Waffen übten – alles Exerzieren in voller Formation und Schießen war verboten, solange der Tsukku-san in der Nähe war –, und das erfreute sein Herz. Rechter Hand blitzten in der Sonne die zwanzig Kanonenrohre, die sorgfältig geborgen worden waren. In der Tiefe lag das Wrack. Er bemerkte, daß es immer noch an der selben Stelle lag, und er überlegte, wie der Anjin-san es wohl an Land bringen wollte, wenn es sich nicht herausziehen ließ.
Denn an Land bringen wirst du es, Anjin-san, sagte Toranaga völlig überzeugt. O ja. Und du wirst auch dein Schiff bauen, und ich werde es zerstören, wie ich das andere zerstört habe, oder es hergeben, um die Christen noch weiter zu beschwichtigen, die mir wichtiger sind als deine Schiffe, mein Freund, tut mir leid, und wichtiger auch als die Schiffe, die in deiner Heimat warten. Die werden schon deine Landsleute bringen, und den Bündnisvertrag mit deiner Königin desgleichen. Du nicht. Dich brauche ich hier.
Wenn die Zeit reif ist, werde ich dir erzählen, warum ich dein Schiff in Brand stecken mußte, aber dann wirst du nichts mehr dagegen haben, weil dich längst andere Dinge beschäftigen, und du wirst auch begreifen, daß das, was ich dir damals sagte, trotzdem der Wahrheit entsprach: Es galt – dein Schiff oder dein Leben. Ich habe mich für dein Leben entschieden. Das war doch richtig, neh? Dann werden wir über die ›Hand Gottes‹ lachen, du und ich. Ach, es war ja so einfach, eine Wache von vertrauenswürdigen Männern an Bord zu bringen, die in einer bestimmten Nacht den geheimen Befehl hatten, überall freizügig Schießpulver zu verstreuen. Naga hatte – unmittelbar nachdem Omi mir Yabus Verschwörung gemeldet – Befehl erhalten, die Wachen neu einzuteilen, so daß die nächste Strand- und Deckswache ausschließlich aus Männern aus Izu bestand, vornehmlich aus jenen dreiundfünfzig Verrätern. Dann ein einzelner Ninja mit einem Feuerstein aus der Dunkelheit, und dein Schiff stand lichterloh in Flammen. Selbstverständlich hatten weder Naga noch Omi eine Ahnung von alledem.
Tut mir leid, aber es mußte sein, Anjin-san. Fünfzigmal, wenn nicht noch öfter, habe ich überlegt, ob ich nicht lieber dein Leben opfern sollte, aber es ist mir gelungen, das doch zu vermeiden. Hoffentlich gelingt mir das auch weiterhin. Warum? Heute ist der Tag der Wahrheit, neh? Die Antwort lautet: Weil du mich zum Lachen bringst und ich einen Freund brauche. Ich wage es nicht, mir meine Freunde unter meinen eigenen Landsleuten oder unter den Portugiesen zu suchen. Jawohl, ich werde es bei Vollmond in einen Brunnenschacht hinunterflüstern, aber erst dann, wenn ich sicher bin, daß ich allein bin: daß ich nämlich einen Freund brauche. Und außerdem dein Wissen. Ehe ich sterbe, will ich alles erfahren, was du weißt. Ich habe dir ja gesagt, daß wir viel Zeit hätten. Ich möchte wissen, wie man die Erde umsegelt, möchte begreifen, wie ein kleines Inselreich ein Riesenreich zu Fall bringen kann. Vielleicht läßt sich die Antwort auf China und uns übertragen, neh? Ja, gewiß, in manchen Dingen hatte der Taikō durchaus recht.
Als ich dich das erste Mal sah, sagte ich: »Es gibt keine ›mildernden Umstände‹, wenn es um Rebellion gegen einen souveränen Herrscher geht.« Und du sagtest: »Doch gibt es die … wenn man gewinnt.« Ach, Anjin-san, das war der Augenblick, da ich dich in mein Herz schloß. Du hast völlig recht. Alles ist gerechtfertigt, wenn man gewinnt. Dumm, besiegt zu werden! Unverzeihlich!
Du wirst keine Niederlage erleben! Du wirst sicher und glücklich in deinem großen Lehen Anjiro sitzen, wo Mura, der Fischer, dich vor den Christen abschirmen wird. Wie naiv vom Tsukku-san zu glauben, einer von meinen Männern, selbst wenn er Christ ist, könnte deine roteiros stehlen und sie ohne mein Wissen und ohne daß ich es wollte, den Priestern ausliefern. Ah, Mura, du hast mir jetzt dreißig Jahre treu
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