Shoppen und fischen
Ethan wich nicht von meiner Seite, außer um Spezialaufträge auszuführen: Erdnussbutter-Cracker aus dem Automaten holen, Schmerztabletten von der Krankenschwester oder Schühchen aus dem Geschenkeshop im Foyer der Klinik. Er schlief auf einer Pritsche neben meinem Bett, half mir, wenn ich ins Bad musste, und verknipste einen Schwarzweißfilm nach dem anderen.
Er sorgte außerdem dafür, dass ich meine Mutter anrief. Als ich mich sträubte und erklärte, ich sei zu erschöpft und hormonell verwirrt, um mit ihr zu sprechen, wählte er die Nummer meiner Eltern auf seinem Handy und reichte es mir. «Hier. Es wird dir sonst später Leid tun.»
Ich hielt das Telefon ans Ohr, als meine Mutter sich meldete.
«Hi, Mom. Ich bin’s.» Ich gab mich geschlagen, bevor das Gespräch angefangen hatte.
«Hallo, Darcy.» Sie klang so steif und förmlich wie am Heiligen Abend.
Ich weigerte mich, gekränkt zu sein, und verkündete lieber sofort die große Neuigkeit. «Ich hab die Babys bekommen,Mom.» Bevor sie antworten konnte, berichtete ich alles Wichtige; ich erzählte ihr, wie sie hießen, wie schwer und wie groß sie waren, und wann sie zur Welt gekommen waren.
«Ist das nicht unglaublich, Mom? Zwillinge, aber an zwei verschiedenen Tagen geboren?» Ich schaute auf John hinunter, der an meiner Brust schlief, und dann hinüber zu Thomas auf Ethans Arm.
Meine Mutter ließ mich alles noch einmal wiederholen, damit sie es aufschreiben konnte. Ich tat es, und dann sagte sie: «Herzlichen Glückwunsch, Honey.» Ein sanfter Ton schlich sich in ihre Worte.
«Danke, Mom», sagte ich, und Ethan flüsterte mir zu, ich sollte ihr auch die kleineren, aber in vielerlei Hinsicht wichtigeren Einzelheiten erzählen. «Sag ihr, dass John mehr schreit als Thomas und dass er ein Muttermal auf dem Knie hat, das aussieht wie Italien. Und sag ihr, dass Thomas dich immer mit einem Auge anguckt.»
Ich tat es. Es hätte so oder so ausgehen können, aber meine Mutter kam mir entgegen und hörte sich fast an, als freue sie sich.
«Ich mag nicht daran denken, dass du allein bist», sagte sie in besorgtem und reumütigem Ton.
«Danke, Mom. Das bedeutet mir so viel … Aber ich bin nicht allein. Ethan ist bei mir.» Ich wollte ihr nicht widersprechen, aber sie sollte wissen, wie wichtig Ethan für mich war.
Ethan lächelte, rückte Thomas auf dem Arm zurecht und drückte einen Kuss auf sein flaumiges Köpfchen.
«Trotzdem. Es gibt keinen Ersatz für eine Mutter», sagte sie mit Entschiedenheit.
«Ich weiß, Mom.» Die Wahrheit ihrer Worte bewegte mich.
«Ich komme dich besuchen, sobald ich kann … Anfang Juni. Direkt nach Jeremys und Laurens Hochzeit.»
«Okay, Mom. Das wäre wirklich wunderbar. Danke.»
«Und … Darcy?»
«Ja?»
«Ich bin sehr stolz auf dich.»
Ihre Worte waren wie ein Sonnenstrahl. «Danke, Mom.»
«Ich liebe dich, Schatz.» Ihre Stimme brach.
«Ich liebe dich auch, Mom. Und sag Dad und Jeremy und Lauren, ich liebe sie auch. Es tut mir wirklich Leid, dass ich bei der Hochzeit nicht dabei sein kann.»
«Jeremy versteht das», sagte sie. «Wir verstehen es alle.»
Wir verabschiedeten uns, und unversehens fragte ich mich, was Thomas’ und Johns Geburt im großen Plan der Dinge wohl bedeuten mochte. Für das Gefüge unserer Familie. Ich hatte eine neue Generation zur Welt gebracht. Das war eine riesige Verantwortung. Meine Augen füllten sich mit Tränen – zum hundertsten Mal, seit ich in die Klinik gekommen war.
«Diese Sache mit den Heultagen ist wirklich kein Witz», sagte ich zu Ethan und wischte mir mit dem Ärmel meines Nachthemds über die Augen.
Ethan brachte mir Thomas, und alle vier kuschelten wir uns im Bett zusammen. «Kommt sie uns besuchen?», fragte er.
Das
uns
entging mir nicht. Ich lächelte. «Ja. Nach Jeremys Hochzeit.»
«Und wie geht’s dir damit?»
«Ehrlich gesagt, ich kann’s kaum erwarten.» Ich warselbst überrascht, wie sehr ich mich danach sehnte, ihr John und Thomas zu zeigen.
Ethan nickte und warf mir einen Seitenblick zu. «Gibt’s noch jemanden, den du anrufen möchtest?»
Ich wusste, dass er an Rachel dachte, und ich sprach ihren Namen wie eine Frage aus. Die beiden Silben hingen im Raum, tröstlich und bedrohlich zugleich.
«Na ja», sagte er. «Was meinst du?»
«Ich glaube, ich werde sie anrufen», sagte ich entschlossen. «Und dann Annalise. Und dann Meg und Charlotte.»
Das war die richtige Reihenfolge.
«Bist du denn sicher, dass du mit Rachel sprechen
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