Shoppen und fischen
forderte mich auf zu pressen. Ich tat es – mit aller Kraft. Wieder und wieder. Ich keuchte und schwitzte wie verrückt, und ich zog alle möglichen Grimassen und stieß gutturale Schreie aus. Nach einer Weile verkündete mein Arzt, das erste Baby sei zu sehen. Ich richtete mich auf und reckte den Hals, und ich erhaschte einen kurzen Blick auf dunkles, verklebtes Haar, und dann sah ich Schultern, einen Oberkörper und zwei dünne Beinchen.
«Es ist ein Junge», bestätigte Mr. Smith.
Und dann hörte ich den ersten klagenden Laut, den mein Sohn auf dieser Welt von sich gab. Er klang heiser, als habe er schon stundenlang in meinem Schoß geweint. Meine Arme schmerzten vor lauter Sehnsucht, ihn an mich zu drücken. «Ich will ihn sehen», schluchzte ich.
«Moment noch», sagte Mr. Smith. «Wir müssen die Nabelschnur durchtrennen … Ethan, möchten Sie diese ehrenvolle Aufgabe übernehmen?»
«Darf ich?», fragte Ethan mich.
Ich nickte und weinte noch mehr. «Natürlich.»
Ethan nahm der Hebamme die große Stahlschere ab und schnitt vorsichtig die Nabelschnur durch. Der Arzt band sie ab und untersuchte das Baby kurz, und dann hüllte er es in eine Decke und legte es mir auf die Brust. Ich schob seinen Kopf auf mein Herz, und sofort war der Kleine still, während ich weiterschluchzte. Ich betrachtete sein Engelsgesicht und nahm jedes Detail in mich auf: die Rundung seiner Wangen, die winzigen, aber vollen Lippen, das Grübchen in der linken Wange. Seltsam, aber er hatte große Ähnlichkeit mit Ethan.
«Er ist vollkommen. Ist er nicht vollkommen?», fragte ich alle und niemanden zugleich.
Ethan legte mir sanft eine Hand auf die Schulter. «Ja. Er ist vollkommen.»
Ich genoss den Augenblick in vollem Bewusstsein. Alles, was ich je über Geburt gesehen, gehört und gelesen hatte, verblasste im Vergleich mit dem, was ich jetzt empfand.
«Wie heißt er?», fragte Ethan.
Ich betrachtete das Gesicht meines Sohnes und suchte nach der Antwort. Meine alten, extravaganten Überlegungen – Namen wie Romeo und Enzo – kamen mir plötzlich lächerlich und ganz und gar falsch vor. Ich wusste plötzlich, wie er hieß. «John», sagte ich. «Sein Name ist John.» Ich war sicher, dass dieser geradlinige, kraftvolle Name zu ihm passen würde. Er würde ein wunderbarer John werden.
Mr. Smith erinnerte mich daran, dass noch Arbeit auf mich wartete. Die Hebamme nahm mir John ab und reichte ihn einer Schwester. Ich wollte meinen Erstgeborenen nicht aus den Augen lassen, aber eine neue Woge des Schmerzes überflutete mich. Ich schloss die Augen und stöhnte. DieBetäubung schien nachzulassen. Ich flehte um eine weitere Dosis. Der Arzt lehnte ab und gab mir irgendeine Erklärung, auf die ich mich nicht annähernd konzentrieren konnte. Ethan sagte immer wieder, ich würde es schon schaffen.
Ein paar qualvolle Minuten später hörte ich einen zweiten Schrei. Johns Bruder kam ein paar Sekunden nach Mitternacht zur Welt. Eineiige Zwillinge, und jeder hatte seinen eigenen Geburtstag. Ich wusste, dass die Babys sich glichen, aber deshalb brannte ich nicht weniger darauf, meinen zweiten Sohn zu sehen. Ethan durchtrennte die Nabelschnur, und die Hebamme wickelte das Baby ein und reichte es mir. Neue Tränen flossen, und sofort sah ich, dass dieses Baby die gleichen Züge hatte wie sein Bruder, aber ein wenig stärker ausgeprägt. Es war auch ein bisschen kleiner und hatte mehr Haare. Sein Gesicht zeigte eine Entschlossenheit, die ich bei einem so winzigen neuen Baby erheiternd fand. Und wieder wusste ich sofort, wie er hieß.
«Du bist Thomas», flüsterte ich ihm zu. Er öffnete ein Auge und spähte mich mit erkennbarem Einverständnis an.
«Darf ich sie beide zusammen haben?», fragte ich den Arzt.
Er nickte und legte mir John auf die Brust.
Ethan fragte, ob ich mir auch schon Zweitnamen überlegt hätte. Ich dachte an Ethans zweiten Namen, Noel, und beschloss, dass jeder meiner Söhne einen Teil des besten Mannes haben sollte, den ich kannte.
«Ja», sagte ich. «Sie heißen John Noel und Thomas Ethan.»
Ethan atmete tief durch und kämpfte mit den Tränen. «Ich fühle mich so …
geehrt
.» Überrascht und gerührt zugleich,beugte er sich über uns und umarmte uns alle. «Ich freu mich so sehr, Darcy», flüsterte er mir ins Ohr. «Über euch alle drei.»
ZWEIUNDDREISSIG
In den nächsten vierundzwanzig Stunden hatte ich kein Gefühl für Tag oder Nacht. Die Zeit mit John und Thomas verging wie im Rausch.
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