Short Stories (German Edition)
Thermometer zeigt bereits über zwanzig Grad.
Wie ein Tiger im Käfig laufe ich von einem Fenster zum nächsten.
Fertig angezogen hänge ich hier rum. Kann es kaum erwarten, die Enge meiner Wohnung zu verlassen.
Gestern hatte ich mich telefonisch mit Leo zu einer Motorradtour verabredet.
Mir hätte klar sein müssen, dass mein Freund nicht pünktlich erscheinen würde. Bei ihm plante man das akademische Viertel besser sofort ein.
Endlich!
Vom Wohnzimmerfenster sehe ich, wie er in die Straße einbiegt.
Damit es keine weiteren Verzögerungen gibt, schnappe ich meine Schlüssel und eile die Treppe hinunter.
Gerade steigt er von seiner Maschine und nimmt den Helm ab.
„Wird auch langsam Zeit, dass du kommst. Du weißt genau, wie ich es hasse, zu warten“, maule ich los.
„Guten Morgen Meckerkopf“, wirft Leo mir lachend an den Kopf, „wir haben den ganzen Tag vor uns, da kommt es auf ein paar Minuten nicht an.“
„Du hast ja recht. Aber nach einer Woche, eingesperrt im Büro, muss ich einfach raus“, rudere ich zerknirscht zurück.
Wir schwingen uns auf die Bikes und fahren los. Die Route hatten wir gestern bereits festgelegt, also konnten wir ohne langes Palaver gleich durchstarten.
Ich übernehme die Führung und quäle mich mühsam durch den morgendlichen Verkehr.
Wie ich es hasse, wenn die Straßen so verstopft sind. Ich will raus aus der Stadt. Den Gestank, das Gedränge, Lärm und Hektik hinter mir lassen.
Klar, meine Karre macht auch Krach und die Abgase verpesten die Luft.
Wenn ich aber über die Landstraßen rausche, empfinde ich es selbst nicht so. In den Ortschaften, die ich durchquere, nehme ich das Gas zurück, um die Anwohner nicht mit einem übersteigerten Geräuschpegel zu nerven.
Vielleicht ist es Augenwischerei meinerseits und ich belästige die Leute doch. Nun gut bin ich eben ein Egoist, aber ich brauche dieses Stückchen Freiheit für mein Wohlbefinden.
Die City liegt hinter uns. Der Verkehr nimmt ab, die Straßen werden schmaler, die Gegend ländlicher.
Regelmäßig vergewissere ich mich, dass Leo an meinem Hinterrad klebt.
Ich muss grinsen, weiß ich doch genau, dass er unruhig ist und darauf brennt, dass ich am Gashahn drehe.
Dafür ist die Umgebung jedoch viel zu schön. Lieber fahre ich eine mittlere Geschwindigkeit, um den Blick schweifen zu lassen.
Zu meiner Rechten erstrecken sich goldgelbe Weizenfelder, deren Ähren sich sanft im Wind wiegen. Wellenförmig breiten sich die Bewegungen aus. Es wirkt ungemein beruhigend auf meine strapazierten Nerven.
Linker Hand dehnen sich saftig grüne Wiesen, bis zu einem dunklen, fast schwarz wirkenden Wald.
Die Geräusche der Maschinen schrecken einen Schwarm Vögel auf.
Ihre schrillen Schreie dringen nicht durch meinen Helm, doch weiß ich genau, dass sie schimpfen; sich in ihrer Ruhe gestört fühlen.
Majestätisch erheben sie sich in die Lüfte, ziehen ihre Kreise am makellos blauen Himmel.
Ein erneuter Blick in den Rückspiegel zeigt mir, dass Leo bereits drängelt.
Gelangweilt kurvt er in Schlangenlinien über die Landstraße, zeigt mir so seinen Unmut.
Ich tue ihm den Gefallen und lege Tempo zu.
Die Landschaft fliegt an mir vorbei.
Unglaubliche Ruhe breitet sich in mir aus.
Mein Gehirn blendet alle negativen Gedanken aus, konzentriert sich nur noch auf‘s Fahren.
Entspannt beuge ich mich tief über den Tank, hefte, weit vorausschauend, den Blick auf die Straße und hebe ab.
Die Umgebung verschwimmt, wird zu einem Kaleidoskop der Farben, mal heller, mal dunkler.
Schnurgerade erstreckt sich der Asphalt.
Ich gleite dahin. Allein auf einer endlosen Schiene.
Der Fahrtwind zerrt an meinem Körper, lässt mich die brennende Hitze des Motors nicht mehr spüren.
Der Puls steigt, mein Körper stößt Adrenalin aus.
Ich presse die Schenkel an den vibrierenden Rahmen, werde eins mit meiner Maschine.
Die Kurve fliegt auf mich zu, ich lehne mich hinein, koste jede Bewegung voll aus.
Kurzer Blick in den Spiegel, Leo ist dicht hinter mir, ebenfalls verwachsen mit seinem eisernen Pferd.
Noch mehr Gas.
Die Fliehkraft zerrt an meinen Armen, ich spüre es bis in die Schultergelenke.
Die Strecke wird kurviger, inzwischen säumt Wald auf beiden Seiten die Straße. In einem grünen Tunnel fliege ich dahin.
So fühlt sich grenzenlose Freiheit an.
Kann es etwas Schöneres geben?
Sweet Dreams
Du willst, dass ich dir von meiner Welt erzähle?
Wie ist sie sehe und wie ich sie andererseits besser machen würde?
Bist du sicher, dass du dem gewachsen
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