Showalter Gena-Die Botschaft
ihm fertig binʻ, meinst du damit, dass du ihm wehtun wirst, wenn du dich in seine Arme wirfst und ihn anflehst, dich zu heiraten?“
Harper verdrehte die Augen − und in genau dem Moment bemerkte sie den schwarzen Schatten, der über die Wand in ihrem Wohnzimmer kroch. Angst ergoss sich in ihre Adern, zäh wie heißes Öl. Sie kannte diesen Schatten, hatte jedes Mal dagegen angekämpft, kurz bevor sie einen Blackout hatte. Sie wusste, er würde die Wände hinabkriechen, den ganzen Raum einhüllen und versuchen, sie zu verschlingen.
„Es tut mir leid, aber ich muss weg“, murmelte sie, griff sich ihre Handtasche und rannte auf den Flur vor ihrer Wohnung, wo die viel zu warme Luft sie fast zu ersticken schien. Die Dunkelheit würde sie einholen, aber das bedeutete nicht, dass sie nicht trotzdem davonrennen würde.
Der Boden ächzte unter jedem ihrer Schritte, die Türen der anderen Wohnungen schlugen zu, und das Deckenlicht flackerte. An und aus, an und aus. Gruselig, ja, aber zu ihrer momentanen Einstellung passte es.
Lana, in ihrem langärmeligen Oberteil, Pyjamahosen und einem Werkzeuggürtel um die Hüfte, blieb ihr dicht auf den Fersen. „Alles okay?“
„Geht gleich wieder. “ Hoffe ich . Nur Harper konnte die Schatten sehen, und sie glaubte zu wissen, warum: Entweder war sie auf halbem Weg in den Wahnsinn, oder sie stand bereits an dessen Rand und winkte dem Leben, das sie einst gekannt hatte, von dort aus zu.
Sie beschleunigte ihre Schritte. Wie immer stand ein hübsches junges Mädchen vor einer der Türen und versuchte, in eine Wohnung zu spähen, die nicht ihre eigene war. Schwarzes Haar fiel ihr in seidigen Wellen auf die Schultern. Normalerweise blieb das Mädchen still und bemerkte nicht, wenn Harper an ihm vorbeiging, die Aufmerksamkeit ganz auf das gerichtet, was hinter der Tür vor sich ging. Dieses Mal drehte es ruckartig den Kopf zu Harper um und schien mit seinen violetten Augen, die eher überirdisch als menschlich wirkten, direkt in ihre Seele zu starren.
„So ein ungezogenes Mädchen“, sagte der Teenager mit kalter emotionsloser Stimme, „du hättest es besser wissen müssen. “
Überrascht stolperte Harper über ihre eigenen Füße.
Lana zeigte dem Mädchen den Mittelfinger und sagte: „Tu mane užknisai. “ Sie wartete auf Harper – die wusste, dass sie dem Mädchen gerade mitgeteilt hatte, wie angefressen sie war –, und nachdem diese ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, liefen sie weiter.
Noch einmal drehte Harper sich zu dem Mädchen um. „Was habe ich gemacht?“ Sie hatte seit über einem Jahr keinen festen Freund mehr gehabt und sich seit Monaten nicht mehr verabredet, sogar noch vor ihrem „keine Männer mehr“-Entschluss. Sie hatte nichts Ungezogenes gemacht. Überhaupt nichts. Naja, außer dass sie heute Levi mit den Augen verschlungen hatte. „Hast du an der Wand des Cops gelauscht, als ich bei ihm war, du kleine …“
„Ich dir nie hätte beibringen sollen zu kämpfen. “ Lana zerrte sie weiter. „Sie hat den Verstand verloren. Vergiss sie, sonst zieht sie dich mit in ihren Wahnsinn. “
Wieder einmal trat ihr Akzent deutlich hervor, was bewies, dass das Mädchen Lana mit ihrem Vorwurf ebenso getroffen hatte wie Harper selbst. Aus dem Grund ließ Harper das Thema ruhen. Bis sie das Geheimnis des Gemäldes gelöst hatte, blieb für Lana genug zu tun – was auch immer das beinhalten würde.
Einige Minuten später standen sie draußen vor dem Haus, mit Sicht auf das lebhafte Zentrum von Oklahoma. Große Gebäude aus Chrom und Glas stachen in den babyblauen Himmel, an dem keine Wolke zu entdecken war. Dichte grüne Bäume mit gewundenen Zweigen säumten die Flusspromenade und die viel zu vollen Gehwege. Tatsächlich waren die Gehwege sogar noch voller als gewöhnlich. Auf den Straßen sausten Autos in allen Farben vorbei, die die Geschwindigkeitsbegrenzung nur als einen gut gemeinten Ratschlag zu betrachten schienen.
Die Novemberluft war frostig, aber Harper störte das nicht. „Wie dem auch sei“, wechselte sie das Thema, „wenn du die Wohnung so sehr hasst, warum willst du dann bleiben?“ Sie fragte, obwohl schon der Gedanke an Ausziehen sie innerlich zum Beben brachte. Sie fragte, obwohl sie schon oft gefragt und nie eine Antwort erhalten hatte.
„Ich hasse es dort nicht. Ich gehöre dorthin. “
Das war wenigstens etwas. „Aber …“
„Noch ein einziges Aber, und es setzt was! “
Harper lachte, sie konnte einfach nicht
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