Showdown
die zu dieser Zeit in Griechenland aktiven »Terroristen« bestens organisiert seien, über eine gute Waffenausbildung verfügten und stets einen guten Fluchtplan parat hätten. Sie schließen daraus, dass es sich hier um »professionelle« Aufrührer mit militärischem Hintergrund handele.
Kostas Karamanlis wurde zunehmend nervös, und schließlich bereitete man ihn durch einen Mittelsmann auf sein politisches Ableben vor. Letztendlich blieb ihm wohl nur die Wahl, ob es beim politischen Ableben bleiben sollte oder ob er nicht nur die Bühne der Politik, sondern gleich die Bühne des Lebens verlassen würde. Auch Drohungen gegen seine Familie sollen hier eine Rolle gespielt haben. Karamanlis entschied sich für die erste Variante. Die »Spezialisten« konnten in Wartestellung gehen, und ein Possenspiel begann, das dazu diente, den Abtritt Karamanlis glaubwürdig und unverdächtig erscheinen zu lassen.
Wie geschildert, waren es sogenannte gut informierte Kreise, die mir unabhängig voneinander und ungefragt diese ungeheuerliche Geschichte erzählten, der eine dieses Detail, der andere jenes. Des Weiteren berichtete ein griechisches Wochenmagazin darüber ebenso wie ein Athener Taxifahrer – mit dem Hinweis: »Jeder weiß es, aber öffentlich wird darüber nicht gesprochen.« Andere Quellen sind der Ansicht, die ganze Geschichte sei nichts weiter als eine Erfindung des russischen Geheimdienstes FSB mit dem Ziel, Karamanlis gegen die USA und für das Gazprom-Projekt zu »motivieren«.
Ich weiß nicht, ob diese Räuberpistole Realität ist oder nur einer übertriebenen kollektiven Fantasie entstammt. In jedem Fall scheint die Geschichte doch einen solch harten Kern zu haben, dass die griechische Staatsanwaltschaft, vertreten durch Staatsanwalt Nikos Ornerakis, im Frühjahr 2012 nach ausgiebigen Voruntersuchungen Anklage gegen Unbekannt wegen Hochverrats und des Versuchs der Destabilisierung Griechenlands sowie des geplanten Umsturzes der Regierung Karamanlis erhoben hat. Laut Aussage des Nachrichtendienstes Reuters, der über die Anklageerhebung im März 2012 berichtete, äußerten sich Vertreter des Gerichts, dass die Umsturzpläne gegen die Bestrebungen Karamanlis’ gerichtet waren, eine Energiepartnerschaft mit Russland einzugehen, und auch eine Ermordung des Präsidenten einschlossen. Die Hintermänner seien bislang unbekannt. Die Anklageerhebung erfolgte laut Gerichtsquellen aufgrund entsprechender Zeugenaussagen griechischer Geheimdienstmitarbeiter, Polizisten und Leibwächter Karamanlis’. Ioannis Corantis, der damalige Chef des griechischen Geheimdienstes, bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur AP , dass seine Organisation jenen Report des russischen Geheimdienstes zu Beginn des Jahres 2009 erhalten habe.
Weiter berichtet Reuters über Aussagen von offiziellen Gerichtsvertretern, dass die Anklageerhebung auch die gewalttätigen Ausschreitungen einschließe, die nach der Erschießung eines 15 -Jährigen durch Polizisten ausbrachen, die möglicherweise ein Teil des Plans zur Destabilisierung des Landes gewesen waren. Reuters zitiert einen früheren Berater Karamanlis’, der sich gut daran erinnerte, wie in jenen Tagen die Sicherheitsmaßnahmen für seinen Chef massiv verschärft wurden. »Man nahm das damals sehr ernst.« Fakt ist, dass zwei Tage vor der Parlamentswahl in Griechenland zwei Sprengsätze bei einer Wahlkampfveranstaltung von Karamanlis detonierten und Sachschaden nahe der Stelle anrichteten, an der Karamanlis reden sollte. Kurz zuvor ging eine anonyme Warnung ein. Wollte sich da noch mal jemand in Erinnerung rufen?
Spätestens hier endet der Krimiteil, und wir bewegen uns wieder weg von bösen Verschwörungstheorien hin zu hinreichend belegbaren Entwicklungen, obwohl auch diese Geschichte so abstrus ist, dass man sie eigentlich in den Bereich »Mythen und Aberglaube« verlegen möchte, aber in Griechenland ist eben manches möglich.
Das politische Ende von Karamanlis begann vor mehr als tausend Jahren. Damals soll ein byzantinischer Kaiser dem Athos-Kloster Vatopedi den 42 Quadratkilometer großen Vistonidasee geschenkt haben. Das hatten die Mönche des Klosters lange vergessen, sich aber 2007 wieder daran erinnert und beim griechischen Staat ihre Eigentumsrechte geltend gemacht. Der griechische Staat fackelte nicht lange und erkannte die Eigentumsrechte des Klosters ohne längere Diskussion an. Da man diesen schönen See aber doch gerne wieder im Besitz des Staates wissen wollte,
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