Showdown
konnten.
Dennoch ging Brüning von seinem Kurs nicht ab, den er als alternativlos darstellte, um einerseits eine erneute Inflation zu vermeiden, andererseits um das Ausland davon zu überzeugen, dass Deutschland die Reparationen nicht mehr zu leisten in der Lage sei und dass sie folglich ganz erlassen werden müssten. So brachte auch das Hoover-Moratorium zur Stundung der internationalen Zahlungsverpflichtungen, das im Juli 1931 in Kraft trat und die Aussetzung der Reparationszahlungen sowie der interalliierten Kriegsschulden auf ein Jahr gewährte, keine Wende in seiner Deflationspolitik, wegen der unmittelbar darauf hereinbrechenden Bankenkrise verschärfte sie sich sogar noch …
In der »Vierten Notverordnung zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen« wurden am 8 . Dezember 1931 Löhne, Gehälter, Mieten, Kohle- und Kartellpreise sowie Zinssätze abgesenkt und zugleich noch einmal die Steuern erhöht. Die Folge war eine weitere Verschärfung der Depression. Eine aktive Konjunkturpolitik blieb aus … Dabei verhinderte gerade die überproportionale Jugendarbeitslosigkeit die soziale und politische Integration eines beträchtlichen Teils der Nachwachsenden und ließ die gesellschaftliche Militanz insbesondere in KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) und NSDAP schnell anwachsen …
Die aktuelle Situation Griechenlands ähnelt der finalen Phase der Weimarer Republik. Wir waren im Januar 2013 mit einem Cashkurs-Kamerateam vor Ort und haben in zahlreichen Gesprächen vor und abseits der Kamera versucht, die Situation in Griechenland einzuordnen. Viele gebildete Griechen vergleichen selbst ihr Land mit Weimar. Die Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Belebung sind gering. Im Januar 2013 schließen in Nordgriechenland 300 Schulen, weil die Behörden kein Geld für Heizöl haben. Die Verzweiflung der einfachen Menschen ist zum Greifen nahe. Ausschreitungen und Demonstrationen sind eine tägliche Übung. Während ich in der Hotellobby des Radisson Blue in Athen ein Interview mit einem Mitglied der griechischen Nationalbank führe, macht das Hotel die Schotten dicht. Die Stahljalousien werden heruntergelassen, vor dem Hotel ziehen binnen Minuten schwer gerüstete Polizeieinheiten auf. Hubschrauber sind in der Luft, Krankenwagen und Feuerwehrfahrzeuge rücken an. Einen Straßenzug weiter zieht eine weitere Großdemonstration an uns vorbei. Diesmal bleibt alles friedlich, binnen einer Stunde ist der Spuk vorbei, Demonstranten, Polizei, Hubschrauber sind verschwunden, als wäre nie etwas gewesen. Die Griechen in unserer Nähe nehmen es mit einem Achselzucken und erklären, dass das jeden Tag so gehe. Den internationalen Medien ist das längst keine Berichterstattung mehr wert.
In der Nacht gehen wir in das inzwischen berüchtigte Stadtviertel Exarchia. Hier ist Anarchistenland. Hier wohnen die Anarchos, die »Linksextremisten«. Sämtliche Hausfassaden und zahlreiche Fensterscheiben sind mit Graffiti übersät, bei einem VW -Bus ist von der ursprünglichen Lackierung nichts mehr zu erkennen, die Scheiben sind mit Sprühfarbe verziert. Die ganze Szenerie erinnert an düstere Zukunftsfilme. Schon am Nachmittag ziehen in den umliegenden Straßen schwer gerüstete Polizeieinheiten auf. Jeden Nachmittag in diesen Wochen. Wir werden von allen Seiten gewarnt, dort nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr hinzugehen, längst würde dort kein Recht und Gesetz mehr gelten. Wir wagen es dennoch und mischen uns nachts um ein Uhr unter die Einheimischen. Mitten in der Stadt an einem Denkmal brennen Lagerfeuer. Gerade wird ein alter Tannenbaum nachgelegt. Die Stimmung ist ruhig, aber angespannt. Obdachlose, Jugendliche in Lederjacken, Junkies sitzen in kleinen Gruppen zusammen, diskutieren leise, trinken Bier und wärmen sich an den Feuern. Die Polizei begnügt sich damit, einige Straßenzüge weiter ihre Stellung zu halten und zu hoffen, dass auch diese Nacht friedlich vorübergehen werde. Sie bleibt friedlich. Die Polizei weiß, dass sie hier nichts bewirken kann. Ein Zugriff, Löschen der Lagerfeuer, der Versuch, so etwas wie »öffentliche Ordnung« wiederherzustellen, würde zu einem Aufstand des Viertels und einer kaum zu beherrschenden Eskalation führen. Im Gespräch mit den jungen Menschen hören wir von Hoffnungslosigkeit, Zukunftsängsten und Desillusion. Hass auf die Deutschen? Keine Spur. Aber Resignation gegenüber der etablierten Politik. Die Bereitschaft, die eigene Verzweiflung mit extremen Mitteln zum Ausdruck zu
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