Showdown
Zulauf erhalten, dass sie sich danach im Parlament vereinigen könnten, womit eine noch schwärzere Zeit für die griechische Demokratie hereinbräche. Dann wäre der Vergleich mit der Weimarer Republik und dem ihm nachfolgenden Nationalsozialismus vollendet.
Mit jeder Horrormeldung über linke Gewalt, mit jedem Bericht über die Gefahr von links werden wieder verunsicherte Wähler auf die rechte Seite getrieben. Extreme Parteien sind stets eine Gefahr für die Gesellschaft, ganz gleich auf welcher Seite diese Übertreibung stattfindet. Die Griechen sind nicht nur die Erfinder der Demokratie, sie lieben sie auch heute noch. Umso schwerer fällt es zu verstehen, warum sich ausgerechnet hier eine solche dramatische Entwicklung an den undemokratischen politischen Rändern entwickelt. Bei all meinen Gesprächen mit jungen, gut ausgebildeten und intelligenten Griechen habe ich stets dieselbe Frage gestellt: Warum entsteht keine politische Partei in der Mitte des Spektrums? Getragen von jenen demokratischen, intelligenten und gebildeten Menschen, die die Schnauze voll haben von den alten Strukturen und das Heft in die Hand nehmen? Die Massen würden doch darauf warten. Und stets habe ich dieselbe Antwort bekommen: »Wir haben dafür keine Zeit, wir sind zu sehr mit unserer Arbeit oder unserer Ausbildung beschäftigt.«
So bleiben nur die wütenden Eiferer rechts wie links, die alten, verbrannten und korrupten Kader in der Mitte und um alle herum die nationalen und internationalen Lobbyisten, die diese explosive Lage für ihre eigenen Interessen nutzen. Sei es mit finanzieller, personeller oder medialer Unterstützung.
Die verhängnisvolle wirtschaftliche Lage Griechenlands beschleunigt diese Entwicklung. Ein politischer Strippenzieher erklärte mir in Athen das, was viele Griechen inzwischen empfinden: »Die etablierten Parteien mit ihren alten Seilschaften können es nicht richten. Die einzige Chance auf eine wirkliche Veränderung in Griechenland kann nur durch einen starken Führer kommen. Gerne auch eine Militärdiktatur.«
Die Leidtragenden sind wie immer am Ende die Bürger, die gar nicht verstehen, in welchem Spiel sie zur Marionette verkommen.
Eine ähnliche Entwicklung ist inzwischen auch in Spanien zu beobachten.
Zur Verschärfung der Situation in den schwächeren Ländern Europas trägt ein verhängnisvoller Fehler bei, den wir seit 2010 zuerst in Griechenland und dann viral in allen weiteren Krisenländern wiederholen und mit dem Gehirnwäschesatz »Sparpakete sind alternativlos« rechtfertigen. Liebe Leser, wenn Sie jemanden treffen, der Ihnen das begründen kann, ohne dass Sie Ahnungslosigkeit oder Böswilligkeit unterstellen müssen, schicken Sie ihn zu mir. Ich habe bis heute nicht verstehen können, warum wir diesen Wahnsinn anrichten.
Wir Deutsche wissen aus eigener Erfahrung und Experimenten der jüngeren Geschichte, wie die wirtschaftlichen Zusammenhänge in diesem Bereich sind.
Denken Sie zurück an das Ende der Weimarer Republik. Reichskanzler Brüning sparte in die 1929 in den USA entstandene Wirtschaftskrise hinein, um den Finanzmärkten zu beweisen, dass Deutschland ein verlässlicher Partner ist – und um einen Schuldenschnitt zu erzwingen, ganz wie Griechenland. Die unmittelbare Folge waren der Zusammenbruch der Wirtschaft, Massenarbeitslosigkeit und Verelendung der Mittelschicht. In der Konsequenz kam es zur Abkehr von der herrschenden demokratischen Politik und zu einem Erstarken der extremen rechten und linken Kräfte in Form der Kommunistischen Partei Deutschlands ( KPD ) und der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei ( NSDAP) . Die Rechten hatten am Ende die Situation für sich entschieden mit all dem bekannten Wahnsinn, der folgte. Der Zuspruch zu Hitlers Politik nährte sich im Wesentlichen aus der Beendigung der Wirtschaftskrise und der Schaffung von Arbeitsplätzen. Der verheerende Fehler war, dass er diesen Wirtschaftsaufschwung durch Investitionen in Kriegsvorbereitungen wie Rüstung und Transportinfrastruktur für Kriegsgüter (Schienen, Autobahnen etc.) erzeugt hat. Und so konnte er Millionen hinter sich vereinen, die ihm blind gefolgt sind, weil er ihnen ja eine bessere Zukunft nicht nur versprach, sondern scheinbar auch bot.
Machen wir einen Zeitsprung ins Jahr 2003 . Gerhard Schröder erläuterte in seiner Regierungserklärung seine Pläne für seine Reformpolitik »Agenda 2010 «. Deutschland galt damals – man mag es heute kaum mehr glauben – als der
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