Showtime für die Liebe (Bianca) (German Edition)
meisten Arztpraxen hatten geschlossen. David dagegen konnte von einer Mittagspause nur träumen. Bis auf einen Schokoriegel hatte er noch nichts gegessen. Und er hatte auch nichts mitgebracht, weil er ohnehin nicht dazu kam, es zu sich zu nehmen.
Er war ungern hungrig, aber heute war in der Praxis nur ein Arzt im Dienst. Nämlich er. Außerdem war eine der Krankenschwestern nicht erschienen, und die einzige, die ihm half, sah unendlich erschöpft aus. Clarice ging es seit Woche nicht besonders gut, und eigentlich sollte sie sich ein paar Tage schonen. Ihr Alter wagte er nicht zu schätzen, er wusste nur, dass sie ziemlich anstrengende Enkelkinder hatte.
Aber den Luxus durften sie sich nicht erlauben. Die Praxis zu schließen, kam nicht infrage. Ihre Patienten brauchten Hilfe, und einen anderen Arzt konnten sie sich nicht leisten.
David begleitete Mrs Rayburn und ihre unter diversen Allergien leidenden Zwillinge Megan und Moira aus dem Sprechzimmer und nahm die nächste Akte vom Empfangstresen. „Wie viele noch, Clarice?“, fragte er die füllige Großmutter, die – unter anderem – hier vorn die Stellung hielt.
„Das wollen Sie lieber nicht wissen“, erwiderte sie mit finsterer Miene.
Clarice Sanchez hatte schon so manche Ärzte kommen, ein Burn-out erleiden und wieder gehen sehen. Aus irgendeinem Grund, den er nicht kannte, für den er aber ewig dankbar sein würde, hatte die ernste Krankenschwester ihn unter ihre schützenden Fittiche genommen. Clarice war diejenige, die im größten Chaos den Überblick und vor allem die Nerven behielt, selbst wenn sie wie heute nicht in Topform war.
David schaute auf die Akte und wollte gerade den nächsten Patienten aufrufen, als er seinen eigenen Namen hörte.
„David!“
Überrascht vergaß er Ramon Mendoza und sah sich im Wartebereich um. Die Patienten sprachen ihn nie mit dem Vornamen an. Es wäre respektlos.
Er brauchte nicht lange zu suchen. Sein Blick erfasste eine ziemlich sexy aussehende Blondine, die ihm irgendwie bekannt vorkam. Sie bahnte sich einen Weg durch die Wartenden und eilte entschlossen – und anscheinend nervös – auf ihn zu.
Eins stand fest. Sie sah nicht aus wie jemand, der hierher gehörte. Die Patienten starrten sie verblüfft an und fragten sich ganz offensichtlich, wie eine so elegant gekleidete Frau sich in eine Praxis für Sozialfälle verirren konnte.
Bevor David etwas zu ihr sagen konnte, baute sich Clarice vor ihm auf. „Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass Sie warten müssen“, fuhr sie die Blondine an. „Wie alle anderen auch.“
„Ich muss den Doktor nur kurz sprechen. Es dauert höchstens eine Minute.“
„Das sagt jeder“, erwiderte Clarice kühl. „Entweder Sie nehmen wieder Platz, oder ich lasse Sie hinausbegleiten.“
Kara entschied sich, einen allerletzten Versuch zu wagen, bevor sie freiwillig den Rückzug antrat. Ihre Mittagspause war fast vorbei, und sie hatte Hunger. Außerdem hatte sie keine Lust, sich wie eine lästige Bittstellerin behandeln zu lassen.
„David!“, rief sie dem Arzt zu und ignorierte seinen Drachen. „Ich bin es, Kara Calhoun. Deine Mutter schickt mich.“
2. KAPITEL
Verblüfft starrte David die Frau an. Während das Gesicht ihm irgendwie bekannt vorkam, löste der Name eine wesentlich konkretere Erinnerung aus.
Er kannte nur eine Kara. Und was für eine.
Sie musste die Tochter von Paulette Calhoun sein, der ältesten Freundin seiner Mutter. Und alles, was sich in seinem Gedächtnis mit Kara Calhoun verband, war mit Verlegenheit oder Verärgerung besetzt – oder mit beidem. Er versuchte gar nicht erst, sich an einen angenehmen Moment mit ihr zu erinnern. Es gab nämlich keinen einzigen.
Als er noch ein Junge gewesen war, hatten seine und ihre Eltern sich häufig getroffen. In sämtlichen Erinnerungen an seine Sommerferien tauchte Kara auf. Kara und das emotionale Chaos, das sie in ihm angerichtet hatte. Zwei Jahre jünger als er, war sie ganz anders als er gewesen, wild wie ein Wirbelsturm und eine furchtlose Draufgängerin. Immer hatte er sich ihr unterlegen gefühlt.
Und dann, kurz bevor er dreizehn geworden war, beschloss die Firma seines Vaters, ihn in eine neue Filiale nach der anderen zu versetzen. Sie zogen erst durch den Nordwesten, danach durch den Südwesten und wechselten so oft den Wohnort, dass er nur selten Freunde fand.
Aber das Beste daran war, dass er die Sommer nicht mehr in irgendeinem einsamen Ferienhaus, auf engstem Raum mit dem kleinen
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