Showtime! (German Edition)
Weltverbesserer und Berliner Originale, von denen sich so einige nicht nur zum Vergnügen am Alkohol vergriffen.
Carla und Sabrina unterhielten sich beim Humpen Bier mit dem Gesellschaftsspiel 'Der da sieht mir aus als ob ... '. Der Sinn des Spiels bestand darin, Personen anhand des äußeren Erscheinungsbildes und Verhaltens einfallsreich zu charakterisieren. Psychologie für den Hausgebrauch sozusagen, lehrreich, spannend und meist ausgesprochen albern.
Sie waren leicht angegangen und einem Lachanfall nahe, und Sabrina ließ sich soeben tiefenpsychologisch über einen unrasierten, rammdösig vor sich hin stierenden Hardrocker aus, als plötzlich Freudenschreie durch die Bar gellten.
Sabrina wandte sich um und erkannte Georgia-verpiss-dich-du-Spinner (es war ihr nachhaltig im Gedächtnis haften geblieben), an der Hand eine attraktive Blondine, die sie den Anderen als Patricia vorstellte, bevor sie sich ungestüm in die Arme einer jungen Frau warf. Sie wurde lachend aufgefangen und sogleich in einen Pulk von Leuten gezogen, die lebhaft auf sie einzureden begannen. Partystimmung kehrte ein, als hätte man nur noch auf sie gewartet.
Georgias Kleidung war ein gewagter Mischmasch aus Trash-Style und Designermode, nicht weniger exzentrisch als die letzten Male. Ihr Lachen war umwerfend, ihr starkes Charisma erfüllte den Raum, spürbar wie feine, elektrische Entladungen. Sie wirkte aufgekratzt, fast so, als müsste sie ihre Power gewaltsam im Zaum halten. Ungeniert schäkerte sie mit ihrem blonden Mitbringsel und erwies sich als hervorragende Alleinunterhalterin. Kein Wunder, dass die Truppe an der Bar sich um sie scharte. Mit ihr lebte der Schuppen auf.
Sabrina und Carla hörten ihr eine Zeitlang amüsiert zu und vergaßen darüber ihren ins Visier genommenen Hardrocker, der sich ungewollt dafür entschied, Zentimeterweise vom Barhocker zu rutschen.
Georgia warf beim Erzählen witziger Anekdoten mit Ausdrücken um sich, die nach Gebrauch auf der Giftmülldeponie entsorgt werden mussten, und rauchte, als gäbe es morgen keinen Tabak mehr. Schließlich erklomm sie in einem Anfall von Übermut die Bar und veralberte mit einer temperamentvollen Tanzeinlage die Gogo-Girls in den Diskotheken.
Sabrina beobachtete sie mit gemischten Gefühlen. Sie beneidete sie trotz ihrer Abneigung um ihre Ungezwungenheit und den verspielten Charme, mit denen sie die Menschen in ihrer Umgebung für sich einnahm.
Dem Tanz auf der Bar folgte zunächst eine kleine Verschnaufpause, in der sich Georgia einem der Spielautomaten zuwandte und nebenher, ausgepumpt und ein wenig ruhiger, an der Bar plauderte. Der offizielle Showteil schien vorbei.
«Sie sieht mir aus, als ob ... » begann Sabrina an ihrem Tisch und blickte Carla aufmunternd an, die ihren Satz vervollständigte: « ... als ob sie etwas zu verbergen hätte.»
«Und zwar was?» fragte Sabrina interessiert, sie auf die Ellbogen gestützt betrachtend.
Carla überlegte. «Unbewältigte Kindheitserlebnisse?»
«Ah, wie banal! Das passt ja nun auf jeden!» beanstandete Sabrina. «Was noch?»
«Sie gibt sich sehr aufgeschlossen, ist es aber nicht. Provoziert mit ihrer Schamlosigkeit ... exhibitionistische Neigung, aber nicht zu knapp.» Carla schnalzte mit der Zunge und entschied: «Die Frau ist 'ne erotische Mogelpackung, sonst nichts. Ein Blender der Extraklasse. Alles nur Show.»
Sabrina blickte sie skeptisch an.
«Sie hat Schwierigkeiten mit ihrer Sexualität.» Carla massierte nachdenklich ihr Kinn und schien in Georgia hineinzuschauen, als lese sie in einem geheimen Buch. «Man hat sie früh allein gelassen. - Fingernägelkauen» erläuterte sie mit wegwerfender Geste, «ganz typisches Zeichen. Sie umgibt sich mit vielen Menschen und ist tief innen sehr einsam. Sie sucht Kontakt und Geborgenheit. Nestwärme.»
«Klingt hochdramatisch» kommentierte Sabrina. «Wieso sieht sie dann so fröhlich aus?»
«Schutz» erwiderte Carla schlicht. «Keiner soll es wissen.» Sie nahm einen Schluck aus ihrem Bierglas und fügte wissend hinzu: «Die ist mit Vorsicht zu genießen. Sie hat einen Hang zur Gewalttätigkeit und brodelt nur so vor unterdrückter Aggression.»
«Latente Massenmörderin?» mutmaßte Sabrina mit tiefer Gruftstimme, legte ihre Zeigefinger gekreuzt übereinander und hielt sie verborgen in Georgias Richtung: «Weiche von mir, Satan ...!»
«Ich wette, das ist ein ausgefuchster Satansbraten» stimmte Carla lachend zu. «Bricht Männerherzen en Gros ... aber, mmh ...
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