Showtime! (German Edition)
ihren nicht unerheblichen Teil dazu beitrug, dass Georgia gefährlich strauchelte. Sie war nicht annähernd so hart im Nehmen, wie sie die Anderen glauben machte.
Als sie an den Tisch zurückkehrte, bemühte sie sich um ernstere Themen, verlor sich in Träume über die Schauspielerei - ihr Lebenselixier - und zitierte aus dem Stegreif tiefsinnige klassische Dialoge, die sie damals auf der Schauspielschule einstudiert hatten. Für kurze Zeit schien sie ruhig und konzentriert.
Kim ließ sich darauf ein und motivierte sie, wie so oft, sich endlich wieder mehr um ihren Beruf zu kümmern, bis Georgia das alles ad absurdum erklärte.
«Sei ehrlich, Franky, Schauspieler sind die Typen, die das ganze Jahr zum Sozialamt rennen, Taxi fahren oder putzen gehen» sagte sie prosaisch. «Zwei, drei Drehtage mal, oder eine kurze Engagement an eine winzig kleine Bühne. Und dann ... » Sie wies mit dem Daumen nach unten und schnalzte mit der Zunge. «Rien des vas plus.»
«So. Findest du, dass bei mir nichts mehr geht?»
«Du hattest Glück» räumte sie ihr ein. «Es gibt welche, die Glück haben.»
«Aber du - »
«Hey, Carlos!» Georgia sprang auf und federte aufgedreht einem Motorradfahrer entgegen, der ihr zuwinkte. Sie umarmten sich kurz und wechselten einige lautstarke Worte. Das Gespräch mit Kim war als beendet zu betrachten, und wahrscheinlich vergaß Georgia sogar für eine Weile, dass sie ihretwegen ins New York gekommen war. Während sie sich auf Englisch mit Carlos austauschte, der offenbar einen guten Draht zu der von Georgia angepeilten Kellnerin hatte, führte sich Kim gelassen ihre Zeitung zu Gemüte. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie nebenbei, wie Georgia frech und routiniert das alte Raubtier/Beute-Spiel spielte, um schließlich nach errungenem Sieg befriedigt in ihren Stuhl zurückzusinken.
«Sie heißt Patricia» klärte sie Kim auf, die es eigentlich gar nicht wissen wollte, und studierte die Nummer auf dem Papier in ihrer Hand. «796? - Das ist Steglitz, nicht?»
«Weißt du, Georgia, es gibt wirklich Welt bewegenderes zu erfahren, als den Wohnort einer x-beliebigen Tresenschlampe» kommentierte Kim ausdruckslos und blickte nicht einmal von ihrer Zeitung auf. Es ärgerte sie noch immer und würde es wohl auch immer tun.
Georgia lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Arme. Sie ließ aufgeklärt die Zungenspitze über ihre weißen, ebenmäßigen Schneidezähne gleiten und triumphierte, um korrekte Aussprache bemüht: «Vermeine ich, Eifersucht in deiner Stimme zu vernehmen, Holde?»
«Mitnichten» konterte Kim. «Deine Eskapaden hängen mir lediglich zum Hals raus.»
«Ja, sicher. Und bei Vollmond singe ich wie Pavarotti. Die Tresenschlampe ist übrigens ein Fan von dir. Sie steht auf dich.»
Kim ließ sich nicht weiter in die Enge treiben und ging dazu über, eher belanglose Themen zu erörtern, bis Georgia ein zweites Mal ihr Territorium zu durchstreifen begann und es sich anbot, zu gehen. Sie zahlte die Rechnung für die Getränke, gab ein gutes Trinkgeld und lächelte Patricia freundlich an. Ermutigt durch ihre scheinbare Zugänglichkeit, bat diese sie um ein Autogramm. So etwas hatte man als 'VIP' meist dabei, was weniger mit Allüren zu tun hatte, als mit dem Umstand, dass man sich Serviettenkritzeleien und unnötigen Zeitaufwand ersparte.
Kim zückte einen Kugelschreiber und versah die Rückseite ihres Konterfeis mit einem sachdienlichen Hinweis, den sie umseitig mit ihrem prominenten Namen signierte: Lass die Finger von ihr - sie könnte dir sehr, sehr weh tun.
***
Vielleicht war es lediglich Carlas nervtötende Hartnäckigkeit, die Sabrina tatsächlich veranlasste, einen Fuß ins Lobo 's zu setzen, vielleicht war es auch geweckte Neugier auf das nicht so ganz Alltägliche. Szenekneipen waren nicht Sabrinas Metier. Sie schätzte die gepflegte Atmosphäre, niveauvolles Publikum und last but not least ordentlich abgespülte Gläser ohne Lippenstift-geschmiere an den Rändern.
Dennoch raffte sie sich eines Abends auf, verzichtete auf Carlas ausdrücklichen Wunsch auf jegliches Gala-Make-Up und schwang sich in gewöhnliche schwarze Jeans, T-Shirt und Jackett, um nicht unnötig aufzufallen.
Das Lobo's war ein dunkel gehaltenes Musik-Café mit schlichtem Ambiente. Es bot zwei Billardtische, einen Tischkicker, diverse Spielautomaten, eine schwarz gestrichene Bar und kippelige Tische. An denselben lümmelten sich Studenten, Künstler jeder Couleur,
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