Showtime! (German Edition)
dazu.
Siggi musterte sie kritisch, wie sie da schlaksig in Slip und Bustier vor ihm stand, und Georgia spürte seinen Blick, wandte sich um, verschränkte abwartend die Arme vor der Brust und seufzte: «So what? Schon wieder was zu meckern?»
Er fand sie zu mager. Ihre hohen Wangenknochen ließen ihr Gesicht ein wenig eingefallen wirken, und um die Hüften herum hatte sie auch schon mal fraulicher ausgesehen. Konfektionsgröße 34/36 schwenkte zierliche Hüften auf den Laufstegen, aber nicht im wirklichen Leben. Er hob resignierend die Hände, weil es eh keinen Sinn hatte, sich dazu zu äußern, und empfahl sich, als Georgia sich auszog und in der Dusche verschwand.
«Du bist zu dünn!» hörte er sie rufen, «Man kann auf deine Rippen Klavier spielen ... bla-bla-bla ... das Gelaber kenne ich schon!»
Wenig später versorgte Rita sie in der Küche mit Kaffee und Vitaminpillen und enthielt sich wohlweislich noch jeglichen Kommentars. Sie wechselte einige Worte mit Siggi, drückte ihm sein Lunchpaket in die Hand und entließ ihn mit Küsschen ins Arbeitsleben.
«Komm» winkte sie dann Georgia ins Wohnzimmer, «ich hab' mit dir zu reden, Madame.»
Georgia folgte ihr widerwillig, ließ sich auf die Couch fallen und kreuzte kerlig ein Bein über das andere, für eine Standpauke alles andere als aufgelegt. « ... Was hab' ich wieder ausgefressen ... ?»
Der Engel erschien pünktlich zur Rettung, noch bevor Rita die passende Einleitung gefunden hatte: elfjährig, püppchenhaft, smart. Sheila - Georgias ein und alles. Sie strich sich schlaftrunken das lange, dunkle Haar aus dem Gesicht, ließ sich neben Georgia auf der Couch nieder und lehnte sich an sie. «Hi, Darling.»
«Selber hi» entgegnete Georgia, legte die Arme liebevoll um sie und streichelte ihre Wange, «was gibt's Neues, Engelchen? Jurastudium abgeschlossen? Koffer schon gepackt für unseren großen Walkabout?»
Sie sprachen Englisch miteinander. Sheila war zweisprachig aufgewachsen, weil es später von Nutzen sein konnte, und der Englischlehrer in der Schule gab sich verzweifelt Mühe, ihren von Georgia übernommenen Sydney-Straßenslang durch gepflegtes Schulenglisch zu ersetzen. Georgia war für Sheila große Schwester, Freundin in allen Lebenslagen und Idol. Ihr vertraute sie alles an, was sie ihren Eltern nicht erzählen wollte, mit ihr stellte sie den größten Unfug an.
«Ich habe dir was mitgebracht» lockte Georgia das hübsche Mädchen in ihrem Arm, griff in die Brusttasche ihrer Lederweste und hielt ein Paar goldene Ohrringe hoch. «Was hältst du davon?»
«Geil ... !» entfuhr es Sheila auf Deutsch. Sie griff danach und Georgia zog sie weg.
«Geil?» echote sie und begann, ihr englische Adjektive um die Ohren zu schmeißen, betont dialektfrei: «Wie wär's mit: schön, toll, umwerfend, unglaublich, sagenhaft?»
«Okay, sie sind ... hinreißend» parierte Sheila.
Georgia machte ein nachdenkliches Gesicht. « - Wir werden sie `rantackern müssen» erklärte sie ihr bedauernd und hielt die Ohrringe prüfend an das dafür vorgesehene Ohrläppchen. «du bist ja ein Hühnchen und hast Angst, dir Ohrlöcher stechen zu lassen.»
«Ich bin nicht zu feige, du wirst sehen» widersprach Sheila lebhaft, streckte erneut den Arm aus und ergatterte den Schmuck. «Die sind schön ... » murmelte sie, zwinkerte Georgia verschwörerisch zu und wandte sich auf Deutsch an Rita: «Mama, darf ich mir Ohrlöcher machen lassen? Bitte ... »
Rita zuckte die Achseln. «Ohrlöcher ja. - Tattoos nach wie vor nein.»
«Aber Georgia hat -- »
« - Keine Tattoos! Keine weitere Debatte, Sheila, du bist elf Jahre alt!»
«Aber sie sind wunderschön» quengelte Sheila und zeichnete mit den Fingern bewundernd die Konturen eines geschwungenen Ornamentes an Georgias Oberarm nach. «Schau mal. Georgia sagt, das ist Kunst.»
«Aber keine Kunst für Kinder.»
Sheila blieb stur wie ein Maulesel, wagte es sich aber nicht, Rita anzusehen. «Daddy und du, ihr habt doch auch welche. Warum darf ich denn nicht?»
«Mal' dir welche mit einem Edding auf. Und jetzt Schluss damit. - Geh und mach' dich fertig, du musst in die Schule.» Rita nahm einen Schluck Kaffee und warf Georgia über den Becherrand einen bösen Blick zu, der da hieß: Genau wie du... !
«Weißt du was, die haben vorhin in den Nachrichten gesagt, eine Schule wird vermisst» lenkte Georgia ab. «Die ist einfach über Nacht verschwunden, und heute früh war nur noch ein leerer Platz da. Was denkst du, wohin
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