Shutdown
berücksichtigt, dass das Ding noch fährt.«
»Und wie. Es tut mir leid, ich muss jetzt los, sonst verpasse ich den Flug.«
»Das trifft sich gut, da muss ich auch hin. Fragt sich nur, ob ich mit dem Wagen oder der BMW fahre.«
»Schön, wenn man auswählen kann.«
Sie trat nochmals aufs Startpedal. Der Motor begann beruhigend zu summen.
»Sechs«, sagte er lächelnd.
Sie ließ den Motor absterben. »Sechs was?«
»Dollar. Sechstausend Dollar für die Maschine. Wäre das ein fairer Preis?«
Die unerhörte Summe trieb ihr Hirn in hektische Aktivität, als gäbe es keinen Vitaminmangel. Nur mit Mühe gelang ihr eine klare Antwort:
»Cash.«
Er lachte laut auf. »Sie trauen meinen Schecks nicht. Kein Problem. Kommen Sie. Nehmen Sie die Papiere mit.«
»Sie kaufen das Bike für sechstausend?«, fragte sie albern.
Der Kerl musste im Geld schwimmen. Das wusste offenbar auch der Angestellte, der den riesigen Scheck ohne mit der Wimper zu zucken in handliche Dollarnoten wechselte. Der Silberrücken hielt ihr das Bündel hin.
»Die Papiere bitte.«
Sie gab ihm die Fahrzeugpapiere. Damit war der Handel abgeschlossen.
»Rufen Sie mir bitte ein Taxi zum Flughafen«, sagte sie zu Rob, der mit säuerlicher Miene an der Kasse stand.
Mr. Brown winkte ab. »Nicht nötig. Mein Wagen bringt Sie hin.«
Als Wagen bezeichnete er seinen Bentley mit Chauffeur. Er selbst schwang sich aufs Motorrad, grüßte mit Kusshand und brauste davon.
Eine Stunde später saß sie mit einem Apfel in der Halle des Flughafens und wunderte sich über die endlose Prozession asiatischer Gentlemen in schwarzen Anzügen, die ohne Murren, wie von einem inneren Zwang getrieben, ihre schwarzen Golfsäcke auf kürzestem Weg von der Gepäckausgabe zur Autovermietung schoben. Neben dieser Demonstration wohl disziplinierten Freizeitverhaltens nahmen sich die übrigen Passagiere ihres Fluges in bunten Bermudas und weißen Cowboyhüten wie die Loser der Nachmittags-Talkshow aus. Verlierer waren wohl die meisten, die an den einarmigen Banditen noch ein letztes Mal ihr Glück versuchten, aber es schien ihnen Spaß zu machen. Sie hingegen gehörte zu den Reichen. Sie konnte sich jetzt leisten, den kurzen Flug über Phoenix nach Boston zu nehmen statt den umständlich langen, billigen.
Das Brummen der Triebwerke, das Rauschen der Klimaanlage und die hochfrequenten Töne, die dem Kopfhörer des Sitznachbarn entwichen, versetzten sie in einen unruhigen Halbschlaf. Immer wieder schreckte sie auf, als stellten Rebecca oder Frank ihr unangenehme Fragen. Sie verpasste beinahe die Zwischenmahlzeit. Sie verstand die Leute nicht, die sich über das Essen im Flugzeug beschwerten. Es lieferte Kohlenhydrate, Fett, Eiweiß und etwas Ballast ohne störenden Geschmack. Was war daran auszusetzen?
Bei der Zwischenlandung in Phoenix wagte sie, das Handy wieder einzuschalten. Rebecca hatte dreimal die gleiche Nachricht hinterlassen: Ruf mich bitte an . Die Letzte mit Ausrufezeichen. Sie war noch nicht bereit für dieses Gespräch. Rebecca hatte auch auf die Mailbox gesprochen. Sie zögerte, unsicher, ob sie stark genug war, die Stimme des gefallenen Engels zu ertragen. Schließlich siegte die Neugier. Die Meldung war keine zwei Stunden alt. Sie saß vor dem Gate, während sie auf die Wiedergabe wartete. Beim ersten Ton sprang sie auf und ließ das Handy fallen, als rasselte eine Klapperschlange an ihrem Ohr.
»Ich bin’s, Adam«, begann die Nachricht.
Seine Stimme, Rebeccas Nummer. Jen wünschte nichts sehnlicher in diesem Augenblick, als aus dem Albtraum zu erwachen. Kraftlos sank sie in den Sessel zurück und wagte es nicht, das Telefon nochmals anzufassen.
»Alles in Ordnung, Madam?«, fragte ein Angestellter und hielt ihr das Handy hin.
Zögernd griff sie danach. »Was soll ich tun?«, fragte sie benommen.
»Geht es Ihnen gut?«
»Nein, verdammt!«
»Ihr Flug ist aufgerufen. Sie sollten ...«
»Lassen Sie mich in Ruhe.«
Fieberhaft wählte sie Franks neue Nummer.
»Keine Fragen«, sagte sie hastig, sobald er antwortete. »Hör einfach zu. Rebecca – Adam – er hat mich angerufen – auf ihrem Handy! Es ist furchtbar.«
Die Stimme versagte ihr. Sie schaltete das Telefon aus. Ihre Hände zitterten so stark, dass sie das Vorhaben aufgeben musste, den Chip auf der Stelle gegen einen neuen auszutauschen. Chip wechseln, Chip wechseln , wiederholte sie stumm auf dem Weg zum Flugzeug, bis die Gedankennotiz die Angst besiegte.
Alameda, Kalifornien
Frank
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