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Shutdown

Shutdown

Titel: Shutdown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Anderegg
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sah Rita betroffen an.
    »Hast du einen Geist gesehen?«, fragte sie. »Du bist ganz blass. Was ist los?«
    »Nichts«, murmelte er abwesend.
    Er ließ sie stehen, eilte in sein Zimmer, zog die Pistole unter der Wäsche im Schrank hervor und rannte aus dem Haus. Mit quietschenden Reifen fuhr er weg, raste die Central hinunter, als blinkte das Blaulicht auf seinem Dach. Rebeccas Haus lag friedlich schlafend in der Nachmittagssonne. Nichts deutete auf einen Eindringling hin. In großen Sprüngen hetzte er die Treppe hinauf, klingelte Sturm und hämmerte gleichzeitig an die Tür.
    »Ich bin’s, Frank. Ist alles in Ordnung bei dir?«, rief er.
    Er versuchte, das leere Gefühl in seinem Magen zu ignorieren. Es blieb totenstill im Haus. Er entsicherte die Pistole und drückte auf die Klinke. Die Tür ging auf. Vorsichtig betrat er den Flur, sah sich um und horchte. Einzig eine Amsel begann laut zu singen, als säße sie in der Stube. Andere Geräusche gab es nicht im Haus. Die alte Routine kehrte zurück. Schnell und leise durchkämmte er die Zimmer, bis er sicher war, allein im Haus zu sein. Die Terrassentür stand offen, doch auch im Garten war kein Mensch zu sehen. Hatte Rebecca einfach vergessen, die Türen zu schließen? Sein Magen lachte ihn aus. Zwei Stühle auf der Terrasse lagen am Boden. Nach Vergesslichkeit sah es nicht aus, eher nach überstürzter Flucht. Mit einem unterdrückten Fluch begann er, nach weiteren Spuren zu suchen. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken, als er die frischen Fußspuren im Gras entdeckte. Mindestens zwei Menschen waren über die Wiese und durch das Gebüsch zur Lagune gerannt. Die Spur führte zum alten Holzsteg.
    »Mein Gott«, ächzte er, noch bevor er den weißen Tuchfetzen an einem Nagel hängen sah und das Blut am Pfosten.
    Er versuchte vergeblich, nicht an Rebecca zu denken, als er sich über den Steg beugte. Ein weißer Schleier trieb auf dem Wasser wie ein Vorhang gegen neugierige Blicke. Das Gewebe hatte sich am Tau eines Ruderbootes verfangen. Er erkannte das feine Seegras sofort, das unter dem Schleier hervorquoll und hin und her wogte, als versuchte es, wegzuschwimmen. Rebeccas Haar. Widerstrebend schob er den Schleier beiseite. Sie sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an, als fürchtete sie den zweiten Tod. Reglos schwebte sie über dem schlammigen Grund, den Kopf seltsam verrenkt. Er zweifelte nicht, dass Rebecca nicht mehr lebte. Dennoch hob er Kopf und Schulter vorsichtig aus dem Wasser und fühlte ihren Puls. Der Körper, den er im Arm hielt, war nicht mehr Rebecca, nur noch ihre sterbliche Hülle. Er ließ sie wieder ins Wasser gleiten, um den Tatort möglichst so zu hinterlassen, wie er ihn angetroffen hatte. Für ihn war klar, dass es sich um einen Tatort handelte. Die Umstände ihres Todes deuteten nicht auf einen unglücklichen Zufall hin.
    Er verfluchte zum ersten Mal seit der Pensionierung, kein Handy bei sich zu haben. Aufgewühlt rannte er ins Haus zurück und alarmierte die Polizei mit dem antiken Festnetz-Apparat im Wohnzimmer, den er stets für eine Attrappe gehalten hatte. Statt bei der Leiche zu warten, begann er, Wohnung und Terrasse genauer zu untersuchen. Er wusste es besser, aber sein Instinkt trieb ihn an. Er wickelte ein Taschentuch um seine Hand, öffnete Türen und Schränke, ohne zu wissen, wonach er suchte. Rebeccas Mobiltelefon lag auf dem Nachttischchen. Wieder spürte er kalte Schauer, als er es aufhob. Adam hatte wahrscheinlich als Letzter mit diesem Apparat telefoniert. Der verfluchte Adam. Hatte er Rebecca kaltblütig das Genick gebrochen und ins Wasser geworfen auf seiner irren Suche nach Jen? Die Kollegen würden früher oder später ans Licht bringen, was wirklich geschehen war. Er zweifelte bloß, ob er es so genau wissen wollte. Wie um Gottes willen sollte er Rita die Nachricht von Rebeccas Tod überbringen? Immerhin waren die beiden verwandt, wenn sie auch nur losen Kontakt pflegten. Er hatte Jen zu Rebecca gebracht. Wenn nun Jens wahnsinniger Vater Rebecca ... Der Gedanke war unerträglich. Er legte das Telefon behutsam wieder an seinen Platz.
    In der Wohnung gab es keine Spuren, die auf eine Durchsuchung hindeuteten. Ob etwas fehlte, konnte er nicht beurteilen. Noch einmal wollte er Rebeccas Fluchtweg in sicherem Abstand abschreiten, da hielt ihn ein kurzes Aufblitzen auf der Terrasse zurück. Neben einem der umgestürzten Stühle schimmerte ein Stück Metall in der Sonne. Er hob es instinktiv auf. Es war ein

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