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Shutdown

Shutdown

Titel: Shutdown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Anderegg
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sich auf einen oder zwei Tage ein, die sie im Wesentlichen damit verbringen würde, dem verständnisvollen Jerry aus dem Weg zu gehen. Wer war Claire? Sie hätte ihn einfach fragen können, doch das hielt sie für keine gute Idee. Um sich die Zeit zu vertreiben, widmete sie sich der intensiven Pflege des Motorrads. Für einen Augenblick drohten die Ruhe im Wald, die reine Bergluft, das Klopfen des Spechts ihr inneres Gleichgewicht zu stören. Soviel unberührte Natur auf einem Fleck war sie nicht gewohnt. Sie tat, was sie perfekt beherrschen gelernt hatte: Sie blendete die Umgebung aus. Es gab nur noch sie und das Bike und das Telefon, das einfach nicht klingeln wollte.
    Franks Anruf überraschte sie beim Duschen am nächsten Morgen. Sie sah das Display blinken neben dem Waschbecken. Tropfnass griff sie zum Telefon.
    »Ich habe die Nummer«, sagte er. »Wenn es wirklich um Adam geht, solltest du sehr vorsichtig sein, das ist dir doch klar?«
    »Sicher, mach dir keine Sorgen.«
    »Wenn du möchtest, befrage ich den Journalisten ...«
    »Nein«, unterbrach sie schnell. »Das muss ich selbst erledigen. Gib mir einfach die Nummer, bitte.«
    Steve Duncan war bei einem der großen Mobilfunkanbieter registriert, was die nächste Aufgabe erleichterte. Sie suchte Lindas aktuelle Telefonnummer und wählte. Nachdem sie die vereinbarten Floskeln ausgetauscht hatten, mit denen beide bestätigten, frei sprechen zu können, fragte sie:
    »Ist dein ›IMSI-Catcher‹ auf dem neusten Stand?«
    »Willst du jemanden abhören?«
    »Ja oder nein?«
    »Natürlich ja, was denkst du denn? Der Kasten langweilt sich bloß ein wenig seit dem Auszug aus der Fabrik.«
    »Kann ich mir vorstellen. Hör zu, ich müsste unbedingt an die Daten einer Handynummer kommen.«
    Sie las die Ziffern vom Zettel ab. Linda wiederholte sie sicherheitshalber.
    »Welche Daten interessieren dich denn genau?«
    »Kontakte und Anruflisten.«
    »In diesem Fall geht es wahrscheinlich ohne Catcher. Wenn die Nummer eins der beiden großen Betriebssysteme benutzt, genügt ein stummer Anruf.«
    Sie musste es wissen. Ihr ›IMSI-Catcher‹ Marke Eigenbau vollbrachte zwar wahre Wunder, wenn es darum ging, den eigenen Computer dem Mobilfunkbetreiber als simulierte Antenne unterzuschieben wie ein Kuckucksei. Das erlaubte den Zugriff auf den gesamten Datenverkehr im Netz, und zwar ohne zeitaufwendige Dechiffrierung. Ein einfaches Programm genügte, um alle Daten der Telefonnummern zu kopieren, die einen interessierten. Die Methode funktionierte auf dem löchrigen GSM–Netz, das praktisch jedermann benutzte, aber solche Aktionen kosteten Zeit. Jen hatte nichts dagegen, wenn es schneller ging.
    »Ausgezeichnet«, schmunzelte sie, »ist wohl einen Versuch wert.«
    »Aber sicher. Ich maile dir das Image, O. K.?«
    »Alles klar, danke.«
    Keine Stunde später lagen die Rohdaten von Steve Duncans Kontakten und Anrufen in ihrem Posteingangsfach. Zum ersten Mal seit dem Verlassen der Fabrik spürte sie die Erregung wieder, die Wellen angenehmer Wärme durch den Körper sandte und so den bevorstehenden Durchbruch ankündigte. Ihr Puls schnellte in die Höhe, als Steve Duncans Bekanntenkreis mit allen prächtigen Einzelheiten wie Kosenamen, Privat- und Geschäftsadressen auf dem Bildschirm ihres Laptops erschien.
    Ein Name fiel ihr sofort auf. Ihr stockte der Atem, als sie ihn entdeckte. Sie traute ihren Augen nicht. Claire stand da, ohne Anschrift, nur eine Telefonnummer.

Kapitel 8
     
    Zephyr Cove, Douglas County, Nevada
     
    Claire, immer wieder Claire! Dieses Phantom schien überall gleichzeitig aufzutauchen. Jen versuchte eine Weile, sich auf die Suche nach den ›Black Hats‹ zu konzentrieren, doch Claire lauerte in jeder dunklen Ecke ihrer Gedanken. Sie musste dem wachsenden Druck nachgeben und endlich herausfinden, wer sich hinter diesem Namen versteckte. Was verband ihren Engel Rebecca mit Claire und dem dubiosen Reporter? Sie fütterte die Internet-Suchmaschinen mit Claires Namen und Telefonnummer und schränkte die Suche vorerst auf die Bay Area ein. Treffer gab es Tausende, aber keiner verknüpfte den Namen mit der Nummer. Nach zehn oder zwanzig Seiten gab sie auf.
    Motorengeräusch drang durch das offene Fenster herein. Ihr Nachbar kehrte zurück. Diesmal nicht vom Golfplatz, wie es schien. Er winkte ihr zu, dann begann er Kisten, Flaschen und Papiersäcke mit Lebensmitteln auszuladen. Jerry – warum brachte er sie mit Claire in Verbindung? Das Wohnmobil gehörte

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