Shy Black – Detektiv mit allen Sinnen (Romantica-Novellenreihe) (German Edition)
dafür.
An diesem Freitag wollte Richard seine Geliebte noch einmal davon überzeugen, sich von ihrem Ehemann zu trennen, bei dem sie nur noch aus Furcht vor weiteren Repressalien blieb. Elias war der Einzige, der wusste, auf welches Internat ihr nunmehr zehnjähriger gemeinsamer Sohn Dominik ging. Er gestattete ihr nur gelegentliche Telefonate mit einer Nummer in der Schweiz, die er selbst wählte. Und das auch nur, wenn sie „brav“ gewesen war, wie er es sadistisch betonte. Wenn er nicht zuhause war, versuchte sie ab und zu seine Sachen durchzusehen, um irgendwo einen Hinweis auf Dominik zu finden, doch bislang vergebens. Und meistens blieb sein Arbeitszimmer abgeschlossen und sein britischer Privatsekretär hockte wie ein Wachhund im Vorzimmer.
* * *
Die Hitze waberte in den Straßen von L.A. und der junge Mann war froh, das schattige Gebäude zu betreten. Den Wagen hatte er an der Hauptstraße geparkt. Ein alter Deckenventilator kämpfte mühsam gegen die stehende Luft an. Vergebens. An der Rezeption nickte die alte Dame mit der Lockenperücke und dem übertriebenen Make-Up dem eintretenden Gast zu und deutete mit dem Kopf die Treppe hoch. Dann fächelte sie sich mit einer zusammengeklappten Zeitschrift weiter Luft zu. Einen Aufzug gab es hier nicht. Richard schenkte ihr ein
flüchtiges Lächeln und eilte hinauf, indem er immer zwei Stufen auf einmal nahm. Das Holz ächzte unter seinen Füßen.
Im zweiten Stock des gedrungenen Hauses, das in den vierziger Jahren ein Nachtclub gewesen war, klopfte er höflicherweise an der schäbigen Zimmertür, bevor er die Klinke niederdrückte. Der Duft von Noras Parfüm schlug ihm entgegen, eine zärtlich-sinnliche Mischung aus Früchten und Blumen, die sie nur für ihn trug. Der Raum war leer. Das Fenster stand weit offen und die herunter-gelassenen Jalousien ließen das Sonnenlicht wie Zebrastreifen ein, die das gesamte Zimmer in hell und dunkel teilten. Das spärliche Mobiliar überzeugte durch seine schäbige Schlichtheit. Der Garderobenspiegel wies bereits einige blinde Stellen auf und die geblümten Vor-hänge waren leicht verschlissen.
Heute würde man wohl Vintagelook dazu sagen , fuhr es Richard durch den Kopf, als er sich suchend umsah. Er war verwirrt. Wo war seine Geliebte? Er schloss die Tür hinter sich und bewegte sich langsam durch den Raum. Auch das Doppelbett an der Wand hatte schon bessere Zeiten gesehen, ebenso wie das gesamte Hotel. In der Nähe des Bettes war Noras Duft am stärksten. Richard schlug die Bettdecke hoch – und erstarrte. Auf dem ehemals weißen Laken waren mit dicken roten Buchstaben die Worte „Alles Lüge“ geschrieben. Aber das hier waren weder Filzstift noch Farbe! Das hier war eindeutig Blut, es war leicht angetrocknet, aber es roch immer noch frisch! War das Noras Blut? Wurde sie überfallen? Hatte sie versucht, sich etwas anzutun? Er eilte ins Badezimmer, wo ein rostiger Wasserhahn rhythmisch vor sich hin tropfte. Nichts, keine Spur von seiner Geliebten!
Als der Schwindel in seinem Kopf nachließ, begann Richard, nüchtern zu überlegen. Hier musste ein Verbrechen geschehen sein! Aber war das überhaupt menschliches Blut da auf dem Laken? Steckte Noras sadistischer Ehemann dahinter? Hatte er jemanden beauftragt? Dann wäre auch sein Leben in Gefahr! Sollte er die Polizei rufen? Aber wozu? Es gab keine Leiche, keine Beweise, nichts. Richard ging zum Fenster. Nervös knetete er seine Hände. Er blickte durch die Ritzen der heruntergelassenen Jalousien. Direkt draußen unter ihm führte die alte, verrostete Feuerleiter bis auf die schmale Seitenstraße, in der die Container mit dem Müll standen. Leere Pappkartons stapelten sich daneben. Eine grau getigerte Katze räkelte sich in der Sonne. Fliegen summten. Von ferne hörte er das Rauschen des Stadt-verkehrs – den Puls von Los Angeles!
Langsam kehrte Ruhe in seine Gedanken ein. Ihm kam eine Idee. Sein Freund und Kollege Eric hatte bei seiner Scheidung einen Detektiv eingesetzt, der vielleicht auch ihm helfen konnte. Er würde Eric unverfänglich nach dem Namen fragen! Richard ging zurück zum Bett, riss das beschriebene Laken von der Matratze und stopfte es in eine der braunen Einkaufstüten. Die gestreifte Unterlage darunter war nicht minder besudelt, doch man konnte die Worte nicht mehr deutlich lesen, zumal hier zahllose Flecken von den Hinterlassenschaften früherer Gäste zeugten. Er rümpfte angewidert die Nase, zog die Bettdecke darüber und hoffte, dass niemand
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