Shy Black – Detektiv mit allen Sinnen (Romantica-Novellenreihe) (German Edition)
diese wenige Zeit weiterhin für sich behalten konnte. Die kostbaren Stunden außerhalb des goldenen Käfigs wollte sie nicht missen. Das Gute war: Elias Lakehurst wäre niemals auf die Idee gekommen, ein Altersheim zu besuchen. Er hasste allein den Gedanken an Tod und Verfall und war stolz auf sein volles graues Haupthaar, den sonnengebräunten Teint und die immer noch durchtrainierte Figur, die nur einen minimalen Bauansatz aufwies. Er ernährte sich gesund und besuchte regelmäßig ein Fitnessstudio und die Sauna.
Aber auch ihrem gemeinsamen Sohn Dominik verwehrte er den Besuch bei der alten Dame in diesem Heim, was Nora einen Stich ins Herz versetzte. Wie fast alles, was ihr Mann tat in seiner befehlsgewohnten Art. Sie hätte sich gewünscht, anstelle ihrer Mutter tot zu sein, damit sie den Schmerz tief in sich drin nicht mehr spüren musste – wäre da nicht Nicky gewesen. Ein Gefühl von Hass und Verachtung kam das erste Mal in ihr hoch, als Elias ihren Sohn in ein ausländisches Internat steckte und ihn somit ganz ihrem mütterlichen Einfluss entzog. Irgendetwas zerbrach da in ihr. Jede Regung von Zuneigung und Wärme zu diesem Mann gefror. Eine kühle Distanz herrschte von da an zwischen den Eheleuten. Nach außen hin spielten sie das glückliche Ehepaar und erfüllten gemeinsam die notwendigen, gesellschaftlichen Pflichten. Nora tat, was Elias wollte, aber nur weil er sie mit Dominik erpresste.
Dann tauchte Richard auf. Dieser junge Mann kam Nora wie ein rettender Engel vor. Er war zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen. Da hatte sie zum ersten Mal seit langer Zeit wieder so etwas wie Glück gespürt. Auch wenn er eigentlich viel zu jung für sie war. Immerhin lagen fast acht Jahre zwischen ihnen. Er war gerade siebenundzwanzig und sie fünfunddreißig. Doch das störte ihn offenbar überhaupt nicht.
Nora Lakehurst dagegen hatte von ihrer eigenen Jugend nicht viel gehabt. Sie sorgte mit ihrer alleinerziehenden Mutter für ihren behinderten Bruder, der bereits mit siebzehn Jahren starb. Diesen Schicksalsschlag verkraftete Noras Mutter nicht. Nach dem ersten Herzanfall verlor sie allen Lebensmut. Von da an sorgte Nora für sie. Doch das Geld als Kassiererin in der United Trust Bank reichte vorne und hinten nicht. Als Elias, ihr Chef, auf ihre sanfte, klassische Schönheit aufmerksam wurde, erschien es ihr als ein Geschenk des Himmels. Sie würde der jungen Liz Taylor zum Verwechseln ähnlich sehen, hatte er bei ihrem ersten Date behauptet, nur eben mit blonden Haaren. Aber sie hätte die gleichen violetten Samtaugen.
Mit so einer schönen Frau, die zudem zwanzig Jahre jünger war wie er, konnte ein mächtiger Mann sich schmücken. Also begann er, sie öfter zum Essen auszuführen, ihr Blumen zu schicken und auf altmodische Art und Weise um sie zu werben. Sogar bei seiner Mutter wurde er vorstellig. Nach einem halben Jahr machte er ihr einen Heiratsantrag. Elias war keineswegs Noras Traummann, aber sie mochte ihn. Zumindest so, wie er sich damals gab.
Nach ihrer Hochzeit hörten all ihre Geldsorgen auf. Der Bankier sorgte für sie und ihre Mutter. Doch als sie den gemeinsamen Sohn und Statthalter Dominik zur Welt brachte, hörte auch Elias liebevolle Fürsorge ihr gegenüber auf. Nora hatte ihren Zweck erfüllt. Als ihre Mutter immer mehr ins Vergessen abdriftete, bestand er darauf, sie in ein Pflegeheim zu geben. Nora sollte sich schließlich ganz um das Haus und ihren Sohn kümmern, bis dieser zur Schule gehen konnte.
Sie traf sich nach der Beerdigung ihrer Mutter weiterhin regelmäßig mit Richard, um ihr Herz zu erleichtern. Der ehemals Fremde mit den gütigen, braunen Augen und den leicht gewellten dunkelbrauen Haaren kannte mittlerweile ihre gesamte Lebensgeschichte. Er gab ihr das Gefühl, wahrgenommen zu werden, wichtig zu sein. Und er war wichtig für sie geworden. Später wurde dann mehr daraus, ohne dass sie es geplant hätten. Sie beide hatten es als Schicksal angesehen. Aber sie mussten ihre behutsam wachsende Beziehung unter allen Umständen geheim halten! Dazu hatten sie sich das verrufenste Viertel des Bezirks Downing und diese kleine Kaschemme von Hotel ausgesucht. Hier würde niemand die Frau eines Bankdirektors vermuten. Diese Art Hotels nutzten meist die Bordsteinschwalben für ein Schäferstündchen mit ihren Freiern. Die ersten paar Male, als sie sich hier verabredet hatten, war es Nora furchtbar peinlich gewesen. Doch das Zusammensein mit Richard entschädigte sie jedes Mal
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