Shy Black – Detektiv mit allen Sinnen (Romantica-Novellenreihe) (German Edition)
das Zimmer so schnell wieder benötigen würde. Zimmermädchen gab es hier nicht, das wusste er mittlerweile. Offenbar führte die abgetakelte Lady an der Rezeption das Haus alleine. Woher sollte sie sich auch Angestellte leisten können? Wichtig war ihm und Nora nur gewesen, dass hier niemand etwas sah und hörte und davon konnte er in dieser Gegend ausgehen.
Er blickte sich noch einmal in dem Zimmer um. Hatte er eventuell irgendwo Fingerabdrücke hinterlassen, die man ihm im Falle eines Verbrechens anlasten konnte? Nein. Schließlich packte er die Einkaufstüte mit dem Laken unter den Arm, schob die Kunststoffjalousien nach oben und schlüpfte in gebückter Haltung durch das offene Fenster auf die eiserne Plattform, die zur Feuerleiter hinab führte. Sie schwankte leicht, als er sie betrat. Offenbar stammte auch sie aus den 40erJahren. Richard stieg vorsichtig die Sprossen an der Wand des zweigeschossigen Hauses hinab und erreichte schließlich die Seitenstraße mit einem kleinen Sprung, denn die Leiter endete einen halben Meter über dem Asphalt. Die Katze gegenüber sprang erschrocken auf und rannte davon. Auch Richard eilte zur Hauptstraße und zu seinem Wagen zurück.
* * *
Am nächsten Morgen berichtete er das Geschehene dem besagten Detektiv, dessen Adresse und Telefonnummer ihm Eric gegeben hatte. Der Typ ihm gegenüber sah eher aus wie einer von diesen durchtrainierten Poolboys, die in den Villen der Superreichen in den Hollywood Hills die Vorgärten pflegten. Glatt zurückgekämmtes schwarzes Haar, durchdringende blaue Augen, ein glatt rasiertes, leicht gebräuntes Gesicht. Richard, hätte wetten mögen, dass der Rest des Körpers ebenso glatt rasiert war. Nicht, dass er nicht selbst Wert auf Pflege legen würde. Aber der Kerl da vor ihm sah einfach zu gut aus.
Das kleine Büro lag in einem Hinterhof in Venice, im Westen von Los Angeles. Ein Viertel voller Graffiti-gemälde, Künstler und Möchtegernstars. Ein Viertel mit schmalen Straßen und eckigen Häusern wie Schuhkartons. Und das Viertel von Shy Black, Private Investigator. Selbst der Name hörte sich nach Pseudonym an, wie Richard fand. Aber das war in dieser Stadt der Träume kein Manko. Außerdem klang er gut und passte zu diesem Typen. Eric hatte ihm erzählt, Shy hätte früher mal als Stuntman beim Film gearbeitet, aber nie den großen Durchbruch geschafft. Wenn dem so war, dann spielte er gerade den großen Schweigsamen, fand Richard. Er selbst war nervös. Außerdem hatte er die Nacht kaum geschlafen. Zwischen ihnen auf dem Schreibtisch lag die Einkaufstüte mit dem blutbeschriebenen Laken darin, das Black zuvor ausgebreitet und ausgiebig betrachtet hatte. Daneben lief ein Diktiergerät, mit dem Shy die Unterhaltung aufgezeichnet hatte. Ein Überbleibsel aus seiner Zeit auf der Polizeiakademie, wo sie ihn Verhörmethoden gelehrt hatten. Das war bequemer als Stift und Papier, fand er. Wenn er unterwegs war, wollte er trotzdem nicht auf sein Notizbuch verzichten.
„Offenbar wollte jemand Sie warnen oder – im schlimmsten Fall – Ihnen einen Mord anhängen. Sind Sie sicher, dass Sie mir nichts verschwiegen haben?“, fragte der Detektiv ihn jetzt mit einem kritischen Blick. Richard beeilte sich, zu nicken. „Ganz sicher, Mr. Black. Alles was ich weiß, wissen jetzt auch Sie.“
„Gut. Ich werde das Blut auf dem Laken analysieren lassen. Dann finden wir zumindest heraus, ob es menschlich ist und welche Blutgruppe es hat. Haben Sie zufällig eine Haarbürste von dieser Nora oder sonst irgendetwas, womit wir einen DNA-Vergleich machen könnten?“
Diesmal schüttelte Richard den Kopf. „Nein, tut mir leid“, sagte er bedauernd. „Daran habe ich auch nicht gedacht“, fügte er leise hinzu.
„Kann ich mir vorstellen“, kam es fast zynisch zurück, was den jungen Versicherungsberater nur noch mehr verärgerte. Er musste seinen Frust irgendwie abreagieren.„Woher haben Sie eigentlich Ihre Qualifikation als Privatdetektiv?“, fragte er darum bissig zurück. Shy Blacks Mundwinkel zuckten leicht. Er lehnte sich zurück und betrachtete den Klienten vor sich wie ein Pfau eine graue Maus.
Nun, mein Daddy war Inspektor bei der L.A. Police. Er schickte mich direkt nach der High-School auf die Polizei-Akademie. Kurz vor dem Abschluss gab es leider einen kleinen – sagen wir: Eklat –, daher konnte ich nicht in seine Fußstapfen treten. Er warf mich raus. Ich verdiente mein Geld mit Gelegenheitsjobs und kleineren Filmrollen, wo ich die
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