Sibirisches Roulette
Fingern. »Eine Reihenuntersuchung!« lachte er.
»Auf Tripper …«
»Geh'n wir auch hin, Victor?«
»Kennst du keine besseren Witze?«
»Reizen würd's mich, der schönen Genossin Ärztin etwas vorzuführen.« Meteljew lachte wieder. »Victor, wir gehen hin! Laß uns das nicht verpassen.«
Sie hielten vor ihrem Fertighaus und sahen Jugorow am Fenster stehen. »He, Freund!« rief Meteljew ihm zu. »Wartest du noch oder warst du schon bei der Parade?«
»Für mich nicht nötig!« rief Jugorow zurück.
»Natürlich nicht.« Krasnikow sagte es leiser, so daß nur Meteljew ihn verstand. »Nichts Unbekanntes würde er ja herzeigen …«
Sie lachten schallend, stiegen aus dem Wagen und gingen zu ihrer Haustür. Verwundert stellte Krasnikow fest, daß sie unverschlossen war. Jeden Schwur hätte er geleistet, sie nicht offengelassen zu haben. Er tat, als ob er den Schlüssel im Schloß drehte, trat in den kleinen Flur und drückte hinter Meteljew die Tür wieder zu.
»Offen war sie!« sagte er gepreßt. »Offen …«
»O Scheiße!« Meteljew wischte sich über das Gesicht. »Kein Irrtum?«
»Man dürfte mich erschießen, wenn ich mich irre.«
»Jemand war also in unseren Zimmern?«
»Ganz sicher.« Krasnikow stieß die Tür zu seinem Raum mit einem Fußtritt auf. Nichts hatte sich verändert, alles lag oder stand, wie es immer gewesen war. Auch nebenan, im Zimmer mit den feinen elektronischen Geräten und Funkeinrichtungen, wies nichts darauf hin, daß ein Fremder hereingekommen war. »Trotz der Alarmanlage.«
»Versagt hat sie, das Mistding!« schrie Meteljew voller Zorn.
»Nein.« Krasnikow zeigte auf den kleinen Warnsender in der Ecke. Ein roter Punkt glimmte in der Mitte, zuckte an und aus. »Sie geht. Die Fenster mit den Meldern sind geschlossen. Er wußte: Wenn man die Tür aufschließt, gibt's keinen Alarm. Nur wenn man sie aufbricht, heult die Sirene. So einfach ist das – wenn man es weiß.«
»Der ›Spezialist‹!« sagte Meteljew leise. »Bei uns war der ›Spezialist‹ …«
»Und er weiß jetzt, wer wir sind.« Krasnikow hieb mit der Faust in seine Handfläche. In diesen Augenblicken kam er sich vor, als stünde er nackt vor einer johlenden Menschenmenge. »Von jetzt ab sind wir immer in seinen Augen.«
»Und er in unseren!« rief Meteljew verbittert. »Wer uns ansieht, den sollten auch wir sehen.«
»Sollten, Babrak Awdejewitsch … sollten …« Krasnikow suchte nach einer Papirossa, steckte sie mit bebenden Fingern an und nahm einen tiefen Zug. Aber es beruhigte ihn nicht. »Im Vorteil ist er: Uns kennt er nun, aber wir nicht ihn … Umbringen könnt' ich mich! Niederlagen kann ich nicht vertragen. In der SPEZNA-Schule wären wir jetzt schon tote Männer …«
Im Nebenhaus, Wand an Wand mit Krasnikow und Meteljew, war Jugorow vom Fenster weggetreten, stand inzwischen vor dem Spiegel und rasierte sich. Ein fröhliches Lied pfiff er dabei, war bester Laune und freute sich auf das Zusammensein mit Walja. Aufmuntern mußte er sie sicherlich, denn bestimmt war es anstrengend gewesen, wohl hundertmal das gleiche männliche Körperteil zu besichtigen in allen Größen und Variationen.
Fröhlich aber darf man auch sein und sich seines Lebens freuen, wenn man den Nachbarn besser kennt …
Nach der Beerdigung des ermordeten Soldaten war Jossif Wladimirowitsch Niktin am Montag nicht nach Tobolsk zurückgeflogen, sondern blieb in Nowo Gorodjina. Bei Schemjakin wohnte er, aß mit Begeisterungsrufen Lobjo Tkemali – das sind rote Bohnen in einer pikanten Pflaumensauce, auf kaukasische Art mit Knoblauch verfeinert – und lobte die Kochkunst der Schemjakina mit poetischen Worten. Als es am Montagabend sogar Osetrina po Russki gab – Genossen, haltet euch fest: Das ist Fisch in Tomatensauce mit frischen Pilzen, gehackter Petersilienwurzel, Kapern und süßer Sahne –, verdrehte Niktin die Augen, rief: »Olga Walerinowna, meine Frau Maja Petrowna schicke ich zu Ihnen in die Lehre! Sie zaubern aus den Kochtöpfen!« und fraß drei Teller leer.
»Am Mittwoch werde ich mit der Propaganda beginnen«, erklärte er später beim Wein den Schemjakins. »Durchgesetzt habe ich's, daß man endlich mehr Wert auf die Information der Bevölkerung legt. Daran kranken wir, habe ich gesagt, das löst die Widerstände aus. Wer weiß denn, was der Kanal für Rußland bedeutet? Die hundertfünfzig Forschungsgruppen wissen es, die Konstrukteure, der Genosse Minister Wassiljew weiß es, der Genosse Direktor der
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