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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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blickte seinen Freund Meteljew an. »Kein dummes Köpfchen, der Major …«
    »So ist's. Erst später haben wir erkannt, daß er uns dumme Bauern mit seiner Uniform und seinem Geschrei und seiner Machtbesessenheit geblendet hat. Blind waren wir vor Angst und Respekt. Gezittert haben wir um unsere Frauen und Kinder, um unser Dorf, um die Ernte, um unser Leben. Wir haben ja nur unser Stückchen Land, die Flüsse mit ihren Fischen – sonst besitzen wir doch nichts … Jetzt ist es zu spät.«
    »Zu spät? Wofür?« fragte Krasnikow.
    »Gezeichnet sind wir, gebrandmarkt. Das Dorf der Soldatenmörder … alles kann man jetzt mit uns machen. Ein Teufel ist er, dieser Nasarow.«
    »Ein bemerkenswerter Mann.« Meteljew sagte es mit einem Unterton, den Korolew nicht verstand. Dagegen wußte Krasnikow genau, was sein Gefährte dachte, und er nickte stumm.
    »Nun haben Sie alles gehört, Genossen.« Korolew ging zum Schrank, holte Wassergläser und eine helle Literflasche hervor, goß Wodka ein und lud die Herren Geologen zu einem kleinen Trunk ein. »Erzählt hab' ich's auch nur, weil falsch über uns geredet wird. Vor allem in Nowo Gorodjina. Jeder glaubt Nasarow – was hingegen wir sagen, gilt von Beginn an als Lüge. Nun frag' ich mich: Auf wessen Seite stehen Sie, Genossen?«
    »Das muß geprüft werden«, wich Krasnikow aus. Er trank Korolew zu: »Auf ein ruhigeres Leben!« Denn so ist's üblich in Rußland, daß man einen Trinkspruch hersagt, bevor man das Glas zum Mund hebt. Korolew antwortete: »Auf daß dieses Land uns weiterhin gehöre!«
    »Wer hat die Liquidation von Kulinitsch noch gesehen?« fragte Meteljew. Er hustete ein paarmal – einen Wodka, wie die Genossen ihn am Tobol selbst brennen, trinkt man nicht alle Tage; ein gekaufter Wodka ist im Vergleich dazu nur ein sanftes Wässerchen.
    »Viele Leute von uns …«
    »Auch Soldaten?«
    »Natürlich auch. Die, welche Kulinitsch festhielten und vorher zu uns brachten, zwei Offiziere, ein Begleitkommando für Nasarow … aber was soll's!« Korolew winkte ab. »Kein ehrliches Wort werden sie sagen. Werden alles leugnen, haben nichts gesehen. Wer will denn Nasarow zum Feind haben? Schon der Gedanke ist irrwitzig. Sagt ein Soldat gegen seinen Major aus, kann er sich doch gleich aufhängen.«
    »Man müßte Nasarow selbst zu einem Geständnis bringen«, dachte Meteljew laut.
    »Oje, wer könnte das jemals?« Korolew schenkte noch einmal nach. »Bei der Baubrigade gibt es nur einen einzigen Menschen, der uns glaubt … na, sagen wir vorsichtig, der von allem die Hälfte glaubt. Eine Frau. Die Genossin Ärztin. Gegen den Willen von Nasarow hat sie Andrej Nikolajewitsch behandelt, seine Wunden versorgt, seinen Kopf genäht, ihm Tabletten gegeben …« Daß sie den Angehörigen auch Grüße der Geiseln übermittelt hatte, ließ Korolew weg. So etwas stößt man nicht durch die Posaune.
    »Walja Borisowna?« fragte Krasnikow erstaunt. »Nichts hat man uns davon erzählt.«
    »Wen kümmert's im Lager, was mit den Geiseln ist? Wir haben's auch nur von einem Traktorfahrer gehört«, sagte Korolew vorsichtig.
    »Einen Liebhaber hat sie in der Brigade, einen gewissen Jugorow. Stimmt's?«
    »Ich weiß es nicht. Woher soll ich das wissen?«
    Das Gespräch versandete … Was war noch groß zu sagen? Die Gläser trank man leer, dann gingen Krasnikow und Meteljew zur Tür und gaben Korolew die Hand.
    »War eine Freude, mit Ihnen zu reden«, sagte Krasnikow. »Sollten Sie Sorgen haben, kommen Sie zu uns, Genosse. Wir helfen, wenn wir können.«
    »Wird nicht vergessen, meine Lieben. Ein hilfreicher Mensch ist immer willkommen. Wohl möglich, daß ich Ihren Rat brauche.«
    »Sie finden uns in der Konstruktionsabteilung des Genossen Schemjakin«, sagte Meteljew.
    »Ich werd' sie nie betreten. Nie! Keiner bekommt mich dorthin.«
    »Schemjakin ist ein sehr angenehmer, verträglicher Mensch.«
    »Und wenn er ein Kreuz auf der Brust tragen würde – als Leiter dieses Abschnitts ist er genau wie Sie, Genossen, darauf aus, uns das Land wegzunehmen.«
    »Und dagegen wehrt ihr euch mit Bomben …«
    »Nur Bauern sind wir und müssen dulden«, sagte Korolew traurig. »Wo sollen wir Bomben herbekommen?!«
    »So könnte man fragen …« Meteljew ging Krasnikow nach zum Wagen, stieg ein und winkte beim Abfahren Korolew zu. Der winkte zurück, legte seine Stirn in tiefe Falten und überlegte erneut: Was wollten die Genossen Geologen hier? Was interessiert es sie, ob Beljakow ein Mörder ist?

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