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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mit den Schuhen – auch sie waren neu – über den Waldboden.
    »Hast du mich gefragt?« sagte er. »Nein, du hast mich nicht gefragt. Nicht ein einziger Gedanke ist dir gekommen.«
    »Was habe ich dich nicht gefragt?«
    »War es nicht möglich, daß irgendwo auch auf mich eine Frau wartet?«
    »Igor!« Ein Aufschrei war's. Walja fuhr herum zu ihm und preßte die Hände an ihre Brust. »Verheiratet bist du?!«
    »Die Frage kommt recht spät … es ist passiert zwischen uns …«
    »Hast du eine Frau?!« schrie sie. Ihre Hände schnellten vor und krallten sich in sein neues Hemd. Ein schlechtes Hemd, jetzt sah man es; sofort entstand ein Riß dort, wo Waljas Nägel in den Stoff drangen. »Du … hast …«
    »Ich könnte es …«
    »Gib eine klare Antwort, Igor!« Sie zerrte an dem Hemd, und der Riß wurde größer und lief von der Brust bis zum Gürtel. »Du hast eine Frau?«
    »Nein. Aber wenn ich sie hätte … wärst du jetzt anders als Soja Gamsatowna?«
    »Sie wußte es!« schrie Walja und zerriß nun völlig Jugorows neues Hemd.
    »Und dir war es egal. Hast du danach gefragt?«
    »Nie habe ich daran gedacht.«
    »So kann ein Mensch schnell in Verruf geraten. Wer hätte dir geglaubt, daß du's nicht gewußt hast? Ich liebe ihn, wäre deine Antwort. Was kümmert mich ein anderer Mensch.«
    »Ja, das hätte ich gesagt. Genau das! Ich liebe ihn!« rief sie.
    »Und wirfst doch einen Stein auf Soja. Wir lieben uns und wissen ja ebenfalls nicht, ob es gut ist.«
    »Ich weiß es!« Sie ließ das aufgerissene Hemd jetzt los und legte die Arme um Jugorows Nacken. »Alles bist du für mich … Erde und Himmel … Sonne und Nacht.«
    Jugorow schwieg, weil seine Gedanken ihm Schmerz bereiteten. Wie soll das alles werden? Wie kann man ihr und mein Leben zusammenfügen bei all dem, was noch geschehen wird, geschehen muß? Gibt es für mich noch eine Zukunft? Und wenn es sie noch geben könnte – wird Walja mit mir dorthin ziehen, wohin ich zurückkehre? Wird sie es vergessen können, eine Sowjetgenossin zu sein?
    Motorengeräusch schreckte sie beide auf. Den Waldrand entlang kam ein kleines Fahrzeug auf sie zu, ein GAZ-69 mit offenem Verdeck: Major Nasarow. Allein. Eine vielleicht nie wiederkehrende Gelegenheit.
    Nasarow bremste vor Jugorow und Walja, ließ den Motor ersterben und lehnte sich genüßlich im Sitz zurück. Sein Lächeln paßte indessen nicht zu dem bösen Blick, mit dem er Jugorow musterte.
    »Zu früh komme ich«, sagte er hämisch. »Ich seh's. Zerrissen ist nur das Hemd … welche Leidenschaft! Macht weiter, ihr Lieben, laßt euch nicht stören.«
    »Sie anzusehen, Genosse Major, hätte selbst Gott von der Schöpfung abgehalten«, erwiderte Walja Borisowna. »Igor, laß uns gehen. Die Luft ist hier zu dick.«
    Sie erhob sich, doch bevor auch Jugorow aufstehen konnte, war Nasarow mit einem Sprung aus dem Wagen gestürzt.
    »Noch dicker wird die Luft werden!« rief er und zog den Kopf zwischen die Schultern. »Hab' ich dich endlich, Mistkerl! Wie war das mit dem Telefonanruf, na? Wer kam da gelaufen: General Pychtin will Sie sprechen … Wer lockte mich weg?« Nasarow spreizte die Finger. »Der feurige Liebhaber, nicht wahr? Beleidigt einen Offizier und läßt sich Hemdchen zerreißen … Genossin Ärztin, gehen Sie aus dem Weg. Männersache ist das! Zwingen Sie mich nicht, mich an Weibern zu vergreifen.«
    »Darin müßten Sie Übung haben!« schrie Walja ihn an und stellte sich genau vor Jugorow auf. »Zwei Geiseln haben Sie schon mißhandelt. Mit Stöcken über die Brüste geschlagen …«
    Im Wald, hinter zwei dicht zusammenstehenden dicken Kiefernstämmen, beobachteten Krasnikow und Meteljew das Geschehen. Der Zufall, plötzlich Nasarow allein zu sehen, war eine solche Überraschung, daß Meteljew verzweifelt stammelte: »O Scheiße! Scheiße! Nichts haben wir jetzt bei uns … Kommt so ein Augenblick je wieder …?«
    An Nasarow hatten sie nicht gedacht, als sie Jugorow folgten, wie er zu Walja ging. In der Lage, in der sich Krasnikow und Meteljew befanden, als sie entdeckten, daß jemand in ihre Wohnung eingedrungen war, mußte es fast selbstverständlich sein, daß man das Nächstliegende kritisch betrachtete und auf den lieben Nachbarn Jugorow stieß. Nur eine Routinesache war es, denn Krasnikow sagte gleich: »Unsinn, ihn zu verdächtigen. Ist ein lieber Junge, der anderes im Sinn hat, als bei uns zu spionieren. Ist voll beschäftigt mit der Genossin Ärztin … Dennoch: Gehen wir im klassischen

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