Sibirisches Roulette
…«
Das sind Kohlrouladen in Saurer-Sahne-Sauce, mit viel Zwiebeln und entkernten Backpflaumen. Wirklich ein Genuß!
Am Vormittag des nächsten Tages erhielt Korolew einen verwunderlichen Besuch.
Ein Wagen der Baubrigade hielt vor seinem Haus, Krasnikow und Meteljew stiegen aus und klopften an Korolews Tür.
Der stand längst am Fenster, lugte durch die Gardine und fragte sich, wer da aus Nowo Gorodjina zu ihm kam und was man von ihm wollte. Sicherlich nichts Gutes, denn was kann Gutes kommen von denen, die einem das Land wegnehmen wollen.
Dreimal ließ er den Besuch klopfen, dann öffnete er die Tür und fragte in dienstlichem Ton: »Sie wollen den Dorfvorsteher sprechen, Genossen?«
»Ja und nein.« Krasnikow trat ein und sah sich ebenso wie Meteljew in dem großen Zimmer um. Das Ewige Licht in der Schönen Ecke, unter einem Bild des gekreuzigten Christus, fiel ihnen sofort auf. Während ihrer Ausbildung in der SPEZNA-Schule hatten sie gelernt, auch auf solche Dinge einzugehen.
»Wie soll ich das verstehen?« fragte Korolew abweisend. »Ein Grund muß doch vorhanden sein, wenn man mich aufsucht. Sie kommen von der Baubrigade.«
»Wir sind zwei neue Geologen, Genosse. Erst ein paar Tage hier.« Meteljew war wie zufällig in der Tür stehengeblieben … so versperrt man Wege.
»Ich weiß es. Hab' Sie gesehen bei der Beerdigung von Kulinitsch. Standen bei Major Nasarow.«
»Zufällig nur. Wie man so rumsteht …« Krasnikow schätzte es nicht, lange Umwege zu machen; das würde nur Mißtrauen hervorrufen. Er ging direkt auf sein Ziel los: »Da hat man den Mörder an das Grab geführt, eine schaurige Szene war's. Aber dann sagte dieser Mensch, nicht er sei schuld am Tod des Soldaten, sondern Major Nasarow. Und auch der Veteran schrie das. Das traf uns tief in der Seele, machte uns neugierig … Wer weiß Genaueres? Wer kann uns etwas sagen?«
»Ich!« Korolew sah keinen Grund, sich zu verstecken. »Ich war dabei, Genossen. Stand daneben. Nie werd' ich das vergessen können.«
»Welch ein Glück, Sie zu treffen, Genosse!« Krasnikows Ausruf war ehrlich gemeint. Bis zur Stunde wußte niemand in Nowo Gorodjina, daß es so vortreffliche Augenzeugen gab. Daneben stand er also, dachte auch Meteljew. Aber – und er blickte bei seinen Gedanken Krasnikow an – was heißt daneben? Ein Soldat wird erschossen, und Korolew steht daneben? Wie denn das?
Man sieht's: Auch die Vorstellungskraft eines auf das Töten trainierten SPEZNA-Schülers reichte nicht aus, um sich in der Phantasie auszumalen, was tatsächlich geschehen war. Ein Gefühl des Grauens erfüllte dann auch später Meteljew ebenso wie Krasnikow, als Korolew seinen Bericht über den Tod des tapferen Soldaten Kulinitsch beendet hatte.
»Er mußte niederknien?« fragte Krasnikow mit rostiger Stimme.
»Ja … und er flehte, jammerte, rief nach seiner Mutter, weinte, kroch wie ein Wurm über die Erde … mir stach es im Herzen, als steckten tausend Nadeln drin.«
»Und Nasarow ließ schießen …«
»Wie schon erzählt: Beljakow mußte es tun, mit seiner Flinte. Der Major drohte, sonst das Dorf anzuzünden und vorher seine ganze Familie zu liquidieren.«
»Nie hätte er das getan! In ein Straflager wäre er sofort gekommen.«
»Wer von uns, Genossen, wußte das damals? Soldaten fallen über uns her, treiben uns aus den Häusern, durchsuchen jeden Winkel. Nennen uns Mörder, Räuber, Halunken, Saboteure, ja, was weiß ich nicht alles. Schlagen uns mit den Gewehren. Sogar die Frauen haben sie verprügelt. Nehmen Geiseln mit … Einfache Menschen, wie wir alle es sind, müssen sich dann doch denken: Das ist befohlen von den hohen Herren, da ist man einfach wehrlos und muß sich ducken … und um seine Familie und das Dorf zu retten, ließ sich Beljakow zwingen, zu schießen.«
»Mit einer Schrotflinte?« sagte Meteljew atemlos vor Erregung.
»Ja …«
»In den Rücken … und Kulinitsch flehte um Gnade …«
»Er betete sogar. Und schrie immer: Was hab' ich denn getan? Brüder, Brüder, habt doch Erbarmen mit mir.« Korolew wischte sich über das Gesicht, seine Finger zitterten. »Daneben stand ich, neben Nasarow, und der Major sagte ungerührt: Schieß … oder … Da mußte Beljakow schießen … Jetzt soll er der Mörder sein …«
»Und Nasarow hat es in der Hand, das Dorf doch noch abzubrennen mit der Begründung, es sei ein Nest der Widerständler. Ein Soldat sei ja schon erschossen worden, eine Strafexpedition also angebracht.« Krasnikow
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