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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Krasnikow und Meteljew.
    Nasarow, ein Mann, der Maja Petrowna interessierte, und zwar genau deshalb, weil keiner ihn mochte. Das Außergewöhnliche hatte sie schon immer angezogen wie ein Magnet. So, wie bei Niktin, als er vor acht Jahren in das kleine Theater von Tobolsk gekommen war, wo sie als Soubrette in der ›Fledermaus‹ agierte – in einer Nebenrolle nur; ein paar Worte, ein gesangliches Trällerchen, mehr nicht. Aber Niktin schickte ihr ein Kärtchen in die Garderobe, lud sie zum Abendessen ein, und da sah sie zum erstenmal, welche bedeutenden, natürlich geheimen Rechte ein Funktionär hat. Noch nie hatte sie so herrlich gegessen und getrunken: den feinsten Lachs, den saftigsten Stör, das zarteste Fleisch, dazu Champagner, französischen … Ein Traum war's damals. Ja, und danach, nach diesem göttlichen Essen? Wie war es weitergegangen in Niktins kleiner, aber feiner Wohnung?
    Da hatte ein Ring sie überzeugt, ein Ring mit drei sibirischen Diamanten. Und hingerissen war sie von Niktins Potenz, die alles übertraf, was sie in ihrem durchaus nicht eintönigen Leben überstanden hatte.
    Als sie merkte, daß sie bei Niktin in Rückenlage alles zu erreichen vermochte, was sie wollte, heiratete sie ihn mit dem dunklen, tief verborgenen Hintergedanken, daß sie die schöneren Männer, die ihr künftig begegnen würden, nur zu lieben Kurzbesuchen empfangen konnte. Mit solchen Nebeninteressen auf Zeit hatte es sich zufrieden und erfolgreich leben lassen über diese acht Jahre Ehe hinweg.
    Und nun also Nasarow, der Interessante. Ein Eisenfresser, den man biegen konnte. Ein Abenteuer war das wert.
    Niktin, wie kann man eine Frau wie Maja Petrowna in eine solche Einsamkeit versetzen … du Idiot!
    »Einen kleinen Ausflug machen Sie, Maja?« fragte Nasarow und hielt noch immer ihre Hand fest. »Wohin?«
    »Irgendwohin …«
    »Eine wunderbare Stelle, dieses Irgendwo! Zauberhaft. Eine Gegend, schön wie Sie. Eine gute Wahl haben Sie getroffen.«
    »Begleiten Sie mich nach Irgendwo, Leonid Antonowitsch?«
    »Mit dem größten Vergnügen, Maja.«
    »Mit Ihrem oder mit meinem Wagen?«
    »Mein Fahrer kann hier warten. Natürlich mit Ihrem Wagen. Neben Ihnen.« Er stieg ein, räkelte sich etwas und schrie zu dem Gefreiten hinüber: »Du wartest hier!«
    »Ich warte, Genosse Major!« schrie der Soldat zurück.
    Nasarow beugte sich zu Maja, berührte ihren Hals mit den Lippen und sagte dann gepreßt: »Fahren wir! Wo liegt Irgendwo? In welcher Richtung?«
    »Richtung Lebedewka«, antwortete sie mit Wonne. Die Aufregung kletterte in ihr empor.
    »Lebedewka? Warum?« Nasarow war zurückgezuckt. »Was zieht Sie nach Lebedewka?«
    »Ziehen? Nichts. Ich kenne es nicht. Am Wege liegt es nur … hindurch müssen wir …«
    »Um nach Irgendwo zu kommen?«
    »So dachte ich's mir.« Maja Petrowna musterte Nasarow von der Seite. »Haben Sie einen anderen Vorschlag, Leonid Antonowitsch?«
    »Zur anderen Seite.«
    »Da komme ich her.«
    »Und dann nach links hinein in die Wälder …«
    »Da gibt es auch ein Irgendwo?«
    »Ein schöneres noch … es heißt Deinetwegen …«
    »Das muß man gesehen haben.«
    Nasarow, der Verfluchte – wie galant er sein konnte, wenn er in Fahrt kam, wie raffiniert, wie witzig …
    »Ans Steuer müssen jetzt aber Sie. Ihr Weg ist es.«
    Sie wechselten die Plätze, Nasarow ließ den Kübelwagen an und klopfte mit der Faust auf das blecherne Armaturenbrett. »Damit haben die Faschisten Polen und Frankreich und Rußland überfallen, und jetzt bringt er uns zu Deinetwegen … Wer hätte das gedacht? Auch eine Art der Wiedergutmachung.«
    Er lachte, gab Gas und lenkte nur mit einer Hand. Den anderen Arm hatte er um Majas Schulter gelegt – so geschickt, daß die Spitzen seiner Finger ihren Brustansatz berührten. Unruhige Finger, die zart auf die Wölbung von Majas Busen trommelten, im Rhythmus sogar, als lausche Nasarow einer inneren Melodie.
    Durch einen lichten Wald fuhren sie, bogen in einen engen Weg ein, angelegt für den Transport gefällter Bäume – keine Schwierigkeit für einen deutschen Kübelwagen.
    Plötzlich, auf einer kleinen Lichtung mit hohen Farnen und verfilzten Brombeerbüschen, hielt Nasarow an und stellte den Motor ab. Maja Petrowna sah sich voll Interesse um.
    »Das ist Deinetwegen?«
    »Ja«, antwortete Nasarow mit belegter Stimme.
    »Sehr einsam, Leonid Antonowitsch …«
    »Aber man ist dem Himmel näher. Man kann die Sterne greifen.«
    »Jetzt scheint die Sonne.«
    »Die Sonne!

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