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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ihre Strahlen spürt man auf der Haut, tief in der Brust … im Blut …«
    »Schreiben Sie heimlich Gedichte, Nasarow? Ein Poet sind Sie.«
    »Nur bei bestimmten Gelegenheiten.« Er stieg aus, hob Maja wortlos aus dem Wagen, trug sie auf seinen Armen zu den Farnen und legte sie dort auf den Boden. So hoch waren die Farne, daß ein liegender Mensch völlig darin verschwand.
    »Beichten Sie, was Sie jetzt denken, Leonid«, sagte sie. Unter seinen Händen dehnte sie sich, seine Finger tasteten über ihre Brüste, knöpften die Bluse auf, nestelten am Rock und schwebten über ihre Schenkel.
    »Muß ich das sagen?«
    »Bitte … ja …«
    »Die schönste Frau bist du für mich. Und ich denke: Wir werden glücklich sein.«
    »Ein anmaßender Mensch sind Sie«, flüsterte Maja Petrowna. »Ein brutaler Mann … ein Schinder … ein wildes Tier … ein verdammter, wunderbarer Schuft … ein … ein …«
    »Jetzt wäre es am besten …«, hauchte Meteljew. Nicht weit von dem Liebespaar lag er neben Krasnikow flach hinter einem Brombeerbusch und betrachtete die wogenden Farne. »Vier lange Sprünge, ein Schuß in den Nacken – die klassische Form der Liquidierung. Nichts kann mehr schiefgehen.«
    »Wir dürfen keine Zeugen haben«, flüsterte Krasnikow zurück.
    »Wie stirbt sich's schöner als in der Umarmung? Du Nasarow, ich die Niktina.«
    »Nicht jetzt. Es gibt noch andere Gelegenheiten.« Lautlos kroch Krasnikow zurück wie eine Riesenechse, wälzte sich dann auf den Rücken und schüttelte den Kopf. Daß du das nicht begreifst, hieß das. Gemein und niederträchtig ist's, einen Mann beim Vögeln zu ermorden …
    Am Sonntag nach der Messe holte Jugorow die zwanzig Stangen Dynamit ab.
    Väterchen Schagin hatte die Gemeinde gesegnet. Wassja, der Totengräber, stimmte den letzten Choral an. Alle waren sie versammelt, denn man hatte gemeinsam ein Gebet für den verschwundenen Masuk gesprochen und um Gnade für seine Seele gebettelt.
    An der hinteren Wand, weggequetscht wie zwei Flöhe, standen Soja und der alte Trofimow, wieder abgeschirmt durch die alten, furzenden Weiber. Allerdings hatte diesmal auch Trofimow vorgesorgt: Zum Frühstück hatte er neun dicke, saftige, scharfe Zwiebeln von der eigenen guten Ernte gegessen, fühlte sich wie ein aufgeblasener Gasballon und wartete fiebernd auf den ersten fauligen Furz eines der Weiber, um gebührend antworten zu können. Aber siehe da – in den Gedärmen der Alten regte sich nichts, während Trofimow zu platzen meinte. Mit rollenden Augen stierte er um sich, schnupperte immer wieder, aber kein Hauch kam aus den Röcken; ein Gipfel der Gemeinheit und Niederträchtigkeit.
    Kurz vor dem Endchoral drängte er sich hinaus, in höchster verzweifelter Not, erreichte den Ausgang, wo auch noch einige Gläubige standen, stürzte ins Freie die drei Stufen hinunter, und diese schnelle Bewegung gab ihm den Rest. Ein fürchterlicher Donner entwich ihm, ein knatterndes Gewitter. Die auf der Treppe Stehenden zuckten zusammen, denn aus der Kirche klang in diesem Augenblick der fröhliche Gesang: »… so spricht der Herr zu dir …«
    Beschämt, gesenkten Hauptes, schlich Trofimow davon.
    Die Kirche leerte sich, zum Sonntagstrunk setzte man sich zusammen. Nur Korolew blieb zurück, stand neben Jugorow vor der Ikonostase und wartete auf Schagin, der aus Sparsamkeitsgründen erst einmal alle Kerzen, bis auf das Ewige Licht, ausblasen mußte. In Moskau und Leningrad ist das einfacher, da sind die Gemeinden reich. In Swerdlowsk bereits sieht es anders aus. In Lebedewka reichte jede Kerze fast ein ganzes Jahr. Versucht hatte man schon, aus Bienenwachs eigene Kerzen zu ziehen, aber in heißen Sommern bogen sie sich in den Kerzenständern zur Erde, ein unschönes Bild, das außerdem Goldanski, dem sechsfachen Vater, zu dem Ausruf hinriß: »Welche Symbolik für Schagin – nichts steht mehr!« Und wenn sie standen, brannten sie derart schnell herunter, daß man sich ausrechnete: So konnte das Wachs der Bienenvölker von Lebedewka nur für vier Monate reichen.
    Waljas Jeep zu bekommen, war für Jugorow keine Schwierigkeit gewesen. Sie besuchte keine Kirche, war atheistisch aufgewachsen, und wenn sie sagte »Lieber Himmel!« oder »O Gott!«, dann waren es nur überlieferte Ausrufe und hatten mit Religion oder Glauben nichts zu tun.
    Gewöhnt hatte sie sich daran, daß Jugorow jeden Sonntag die Messe besuchte. »So erzogen bin ich«, sagte er, »und hab's nicht abgelegt. Die schönsten Stunden waren

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