Sibirisches Roulette
Wagen!« rief Schagin, der Pope. »Es ist gelungen! Es ist gelungen! Die Geiseln sind frei!«
»Amen!« brüllte Trofimow.
Soja und Schagin stürzten aus dem Haus und winkten mit weißen Handtüchern. Selbst in der Nacht sah man sie als helle Streifen, und Goldanski, aufatmend und das Lenkrad wie eine brave Geliebte tätschelnd, gab etwas mehr Gas, begann laut zu singen und benahm sich wie ein Trunkener auf dem erkannten Heimweg. Von innen, von der Ladefläche, antwortete ihm Jauchzen und unartikuliertes Geschrei … Erst jetzt war die Befreiung geglückt, erst jetzt war das Aufatmen der Beginn eines neuen Lebens.
Beljakow riß die Plane hoch, neben sich die Masuka – und dann sahen sie sich voll in die Augen, Soja Gamsatowna und Svetlana Victorowna, und Soja reichte ihr beide Hände, und sagte: »Komm, ich helfe dir aussteigen.« Und Svetlana antwortete: »Ich danke dir, Soja.«
Mit offenem Mund verfolgte Rudenko diese Begegnung, während um ihn herum ein lautes Umarmen und Küssen begann, Freudentränen flossen, Korolew jeden Befreiten mit einem Glas Wodka begrüßte – nicht dem höllischen Wodka von Trofimow, den zu überleben eine biologische Glanzleistung ist, sondern mit einem sehr zarten Wodka, wie ihn die Familie Beljakow heimlich brannte. Sogar der alte Trofimow erschien vor seinem Haus und duldete es, daß man auch ihm die Hand drückte und lediglich auf die Bruderküsse verzichtete. Unter uns gesagt: Er legte auch keinen großen Wert auf solch eine Küsserei. Nichts auf der Welt haßte er mehr als Heuchelei. Stets sagte er nur die Wahrheit, und wer die Wahrheit sagt, liebe Freunde, ist immer und überall der Verhaßteste. Wer will schon über sich die Wahrheit hören?
»Das soll einer begreifen!« staunte Rudenko, als Soja mit Svetlana ins Haus ging. »Diese Weiber! Es ist leichter, eine Kompanie Soldaten zu bekämpfen als zwei Weiber.« Dann sah er den finsteren Trofimow an der Tür stehen, vom kargen Kerzenschein schemenhaft beleuchtet, und ging auf ihn zu.
»Das werden wir dir nie vergessen, Gamsat Wladimowitsch«, sagte er. »Wirklich nicht.«
»Nur keine frommen Gesänge!« knurrte Trofimow. »Überrumpelt worden bin ich. Von der eigenen Tochter! Und von Igor Michailowitsch – der Blitz soll ihn treffen. Kein Grund, freundlich zu sein.« Er starrte Rudenko böse an und fügte dann hinzu: »Du hast noch keinen Wodka, Boris Jakowlowitsch. He, Korolew, vergiß nicht deinen Kumpan!«
Darauf ging er schnell ins Haus, um nicht weiter mit Dankessprüchen belästigt zu werden.
»Was machen wir mit denen da?« fragte draußen Goldanski und zeigte mit dem Daumen in den Lastwagen. »Nach meinem Geschmack, Grigori Valentinowitsch, haben sie zuviel gehört. Sie könnten sich allerhand zusammenreimen, und dann sind wir verloren.«
»Keine Toten, hat Jugorow gesagt.« Korolew trank nun auch einen Schluck Wodka, in Ermangelung von Gläsern direkt aus der Flasche. »Nicht bei uns jedenfalls. Was im Lager passiert ist, das geht uns nichts an.«
»Aber in die Schuhe schiebt man's uns, und da können wir nicht mehr laufen …«
»Macht es so, wie alles besprochen wurde.« Korolew winkte ab. »Was die Zukunft bringt, wer weiß das? Beweisen kann man uns nichts. Auch die nicht!« Er nickte kurz in Richtung des Lastwagens, in dem Krasnikow und Meteljew wie verschnürte Pakete lagen, die Kartoffelsäcke über Kopf und Oberkörper. »Haben wir die Geiseln befreit? Haben wir die Posten erschossen? Beljakow hat sie neben dem Zelt liegen sehen, ehe er in den Wagen kletterte. Nein, die beiden werden sich hüten, auch nur einen Ton von sich zu geben. Wie Stumme werden sie schweigen. Ich sehe keine Gefahr von dieser Seite.«
Goldanski und Rudenko setzten sich wieder in die Fahrerkabine, um den letzten Teil ihrer Aufgabe zu erfüllen. Soja kam aus dem Stall, schob ihr geliebtes Motorrad vor sich her, hob es mit Korolews Hilfe auf die Ladefläche und kam nach vorn.
»Wer fährt das Motorrad?« fragte sie.
»Ich!« Goldanski grinste breit. »Wird ein Vergnügen sein, auf dem Sattel zu sitzen, den dein zarter Hintern bearbeitet hat.«
»Fahr vernünftig, Samson Lukanowitsch«, sagte sie, ohne auf Goldanskis Anspielung einzugehen. »Mein Rad ist das einzige, was ich besitze. Hab' schwer dafür arbeiten müssen.«
»Wer widerspricht da?« rief Goldanski munter. »Werde das Rädchen streicheln, so wie's sich gehört, bevor ich mich drauf schwinge.«
»Idiot!« sagte Soja verächtlich. »Geh hin, wenn dich's drängt,
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