Sibirisches Roulette
Tobolsk werde ich es zur Welt bringen.«
»Nein. Bei mir! In Masuks Haus. Da gehört es hin.«
»Und die Leute von Lebedewka?«
»Wer den Mund darüber aufreißt, dem schlagen wir gemeinsam die Zähne ein!« sagte Svetlana mutig.
Schagin zog seine Hände von ihren Köpfen zurück. »Schon geht es wieder los!« knurrte er und wandte sich ab, zurück in das Zimmer. »Immer müssen sie aufeinander losschlagen, die Menschen. O Gott, sieh es ein, das war ein Fehler damals, die Sache mit dem Lehmklumpen, den du nach deinem Bild geknetet hast …«
Unterdessen waren Goldanski und Rudenko zurückgefahren bis zu den ›Zehn Sängern‹ und hielten dort zwischen den hohen Stämmen an. Auch ohne Worte verstanden sie sich. Sie stiegen aus. Rudenko nahm einen Holzknüppel, auf die Ladefläche kletterten sie, beleuchteten mit Krasnikows Handlampe die in die Säcke verschnürten Gestalten. Rudenko tastete erst Meteljews, dann Krasnikows Kopf ab, um sicher zu sein, daß nichts danebenging; dann hob er den Stock und gab jedem einen kräftigen Schlag auf den Schädel. Krasnikow und Meteljew streckten sich und lagen still.
»Das reicht für zehn Minuten«, sagte Goldanski zufrieden. Er tätschelte die Säcke, band die Fesseln auf, überlegte dann, zog die Säcke von den Gestalten und rollte sie zusammen. Ein Kartoffelsack war eine gute Spur, war ein Beweis. »Ein gutes Erwachen, Genossen!« sagte er zu den Besinnungslosen. »Wird ein wenig im Kopf rumoren, aber das verteilt sich schnell. Ein nasses kaltes Tuch empfehle ich euch.«
Sie kletterten zurück auf die Erde, zogen Sojas Motorrad von der Ladefläche, Goldanski trat den Motor an, und Rudenko klemmte sich auf den Gepäckträger.
»Welch ein Gefühl!« rief Goldanski. »Mein Hintern vereinigt sich mit Sojas Hintern. Ah, welch ein Genuß …«
»Fahr los!« Rudenko klammerte sich an Goldanski fest und stieß ihm die Faust in den Rücken. »Blick auf den Weg und denk nicht an Sojas Arsch! Unversehrt möchte ich nach Hause kommen.«
Ohne Licht, nur mit den Augen die Nacht durchdringend, knatterten sie los, zurück zum Schwarzen Haus. Und wieder dachte Rudenko mit schwerem Atem und einer lastenden Beklemmung: Besser wär's gewesen, sie gleich totzuschlagen. Was haben sie gehört? Was wissen sie jetzt? Was werden sie tun? O Gott, verdamme mein unvorsichtiges Maul! Die Pflicht hätte ich gehabt, allen Gefahren vorzubeugen, statt nur einmal gleich dreimal oder viermal mit dem Knüppel auf die Köpfe – und alle Sorgen wären wir los.
Wer aber kann das? Wer kann mit eigener Hand zwei Männer erschlagen? Du hättest es nie gekonnt, Boris Jakowlowitsch. Nie! Mörder müssen eine andere Seele haben.
Vor ihm begann Goldanski zu singen. Ein Kosakenlied, das erzählte, wie man zehn Tatarinnen geschwängert habe. Ein Lied voller Klang und Kraft.
»Halt's Maul!« brüllte Rudenko dem grölenden Goldanski in den Nacken. »Wart erst den Tag ab, was dann geschieht! Das Singen könnte dir vergehen!«
Aber Goldanski sang weiter. Auf Sojas Sattel zu sitzen, war ein Liedchen wert.
Fast gleichzeitig wachten Krasnikow und Meteljew auf.
Während Krasnikow zunächst auf dem Rücken liegenblieb, zuckte Meteljew hoch und schrie los:
»Ich bringe sie um! Ja, umbringen werde ich sie, alle, alle … Verraten hat man uns, blamiert sind wir bis auf die Knochen. Jetzt lachen sie über uns, diese Bauerntölpel … Zurück ins Dorf … Jedes Haus zünde ich an! Alle Häuser …« Er beugte sich über Krasnikow und sah, daß auch dieser wach war. »Victor Ifanowitsch, man hat uns überlistet. Uns überlistet!« Er faßte ihn an den Schultern und schüttelte ihn. »Warum sagst du nichts?!«
»Brüll dich erst aus«, sagte Krasnikow mit noch ziemlich benommener Stimme. »Und wenn der Dampf weg ist, dann denke nach … Na, wird's bei dir klarer?« Er warf die gelösten Fesseln von sich, zog das heruntergestreifte Knebeltuch ab und warf auch die Augenbinde weg. »Zwei GRU-Offiziere mit der besten Ausbildung, die es in der Sowjetunion gibt, liegen hier herum mit brummendem Kopf. Was wird General Tjunin dazu sagen?«
»O Himmel! – Er darf es nie erfahren!« rief Meteljew entsetzt. »Wir wären erledigt.«
»Also warum Lebedewka anzünden?«
»Soll ich das ruhig hinnehmen?«
»Ja. Die Geiseln haben wir befreit, du hast die beiden Posten und Nasarow getötet, und wir haben die Leute von Lebedewka unterschätzt. Was haben wir erreicht? Nichts! Der ›Spezialist‹ hat diese Runde gewonnen. Und wir
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