Sibirisches Roulette
und mach deiner Frau das siebte Kind!«
Mit lautem Lachen fuhr Goldanski davon und verschwand mit dem Wagen in der Nacht. Nur das Motorengeräusch hing noch für ein paar Augenblicke in der feuchten Luft und erstarb dann auch im sumpfigen Dickicht.
Im Haus saßen sie alle um den Tisch herum oder auf der Ofenbank, aßen Sojas selbstgebackenes Brot und Trofimows kernigen Speck, tranken Tee, mit Honig gesüßt, und waren von einer euphorischen Fröhlichkeit. Abseits von den anderen hatten sich Svetlana Victorowna und Soja Gamsatowna auf zwei Schemeln niedergelassen. Man ließ sie in Ruhe, blickte nicht hin, und selbst Trofimow verzichtete darauf, Zeuge dieses Gesprächs zu sein.
»Wo ist Lew Andrejewitsch?« fragte Soja, und diese Frage ging ihr ohne Stocken von den Lippen.
»Vermißt du ihn?« fragte Svetlana sofort zurück.
»Nein. Nicht einen Augenblick. Aber wenn ein Mensch so einfach verschwindet, macht man sich Gedanken.«
Sie sah der Masuka in das Gesicht, über das der Kerzenschein flackerte. »Du hast ihn sehr geliebt?«
»Sehr! Bis du kamst. Da wurde alles anders zwischen Lew und mir. Nachgelaufen ist er dir wie ein Hund, nicht wahr?«
»Man kann's so sehen, Svetlana.«
»Und du bist ihm unterlegen, was? Mit Gewalt hat er's bei dir getan …«
»Nein. Gewehrt hab' ich mich nicht. Aber er war wie ein Tier. Ertragen hab' ich's, manchmal habe ich ihn sogar geliebt, aber dann wieder bis aufs Blut gehaßt … Einsam war ich, Svetlana, ohne Grenzen einsam … Ich kam aus einer lebendigen Stadt zurück in die Sümpfe, aus dem Glanz lustiger Menschen wieder in diese Dumpfheit, und spürte erneut die Verachtung, die man uns Trofimows von allen Seiten entgegenschleudert. Warum, habe ich gefragt, warum sind alle gegen uns? Nie habe ich eine Antwort bekommen – von Väterchen schon gar nicht. Die Frauen im Dorf nennen mich eine Hure, weil ich moderne Kleider trage und sie alle Angst um ihre Männer haben. Wenn die wüßten, wie wenig mich ihre Männer reizen …«
»Aber bei Lew bist du nicht weggelaufen. Ihn hast du genommen … mir weggenommen. Warum gerade er?«
»Der Stärkste von allen war er. Schutz habe ich gesucht bei ihm, verteidigen sollte er mich gegen alle anderen.«
»Und hat er's getan?« Svetlana beugte sich zu Soja vor. Ihre Gesichter waren jetzt nah beieinander. »Beschimpft hat er dich bei mir und allen Leuten. Auch er hat dich ein Hürchen genannt, hat bei deinem Namen ausgespuckt, hat die Trofimows zur Hölle gewünscht. Und lauerte dir dann auf wie ein Hund. Vor ihm sollte man ausspucken! Glaubst du, daß er dich je geliebt hat?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Soja und dachte bei sich: Sein Kind wächst in mir; soll ich's ihr sagen? Jetzt, in dieser Stunde ihrer Befreiung aus Nasarows Hand? Was ändert das noch? Es gibt keinen Masuk mehr, dieser kleine Zeitabschnitt in meinem Leben ist beendet. In ein paar Monaten kommt sein Kind zur Welt und wird nie erfahren, wer sein Vater ist. Als er noch lebte, wollte ich ihn zwingen, ehrlich zu sein – doch was wußte Masuk von der Ehrlichkeit? Gab es für ihn überhaupt diesen Begriff? Um Liebe bettelte er, und ebenso hinterhältig hätte er mich töten können. Wie oft sah ich es in seinen Augen, wie abschätzend tödlich war manchmal sein Blick … Soll man das alles sagen? Svetlana, was würde das ändern? Vorbei ist alles, endgültig vorbei. Ihr könnt mich weiterhin ein Hürchen nennen, ich kann damit leben. In die Einsamkeit bin ich jetzt hineingewachsen, und das Kind wird ein Trofimow sein, kein Masuk …
»Du hast Lew Andrejewitsch nicht getötet?« fragte Svetlana ganz ruhig.
»Nein. Ich schwöre es beim Leben meines Vaters.«
»Wo ist er dann?« Svetlana blickte an Soja vorbei, als suche sie in der Ferne nach einem Zeichen. »Hier kann ein Mensch nur im Sumpf verschwinden. Warum aber ging Lew in den Sumpf? Sein Pferd kam allein zurück … Was ist mit ihm geschehen?«
»Nie werden wir eine Antwort auf diese Fragen bekommen, Svetlana. Du trauerst sehr um ihn?«
»Mein Mann war er über fünfundzwanzig Jahre, da darf man trauern.« Svetlana beugte sich wieder zurück. »Auch wenn er mich geschlagen und getreten hat, angespuckt und mit heißem Tee übergossen. Ertragen hab' ich's, hab' mir gesagt, anderen Frauen geht's noch schlechter, die werden mit Knüppeln geprügelt, mit Lederriemen und Seilen. Lew nahm nur seine Hand. Ist das nicht sogar rücksichtsvoll? sagte ich mir. Und später dann, da war er wieder wie früher, wie in
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