Sibirisches Roulette
Nur Masuk kannte diesen Platz und natürlich Gamsat, ihr Väterchen … Ein Stück war es vom Paradies, durch das in zehn Jahren der Kanal fließen sollte, mitten hindurch, alle Gottesnähe zerstörend.
Sie stand noch kniehoch im Wasser und blickte in den flammenden Abendhimmel, als hinter ihr eine Stimme fragte:
»Oh, gibt es hier wirklich noch Nymphen … oder bist du eine Nixe?«
Soja fuhr herum, bedeckte ihre Scham und suchte den Mann, dem die Stimme gehörte. Irgendwo in den Büschen mußte er sein und sich ducken. Röte und Zorn stiegen in ihr auf, sie stapfte aus dem See und warf sich am Ufer in das Gras, das über ihr zusammenschlug und sie fast ganz verbarg.
»Kommen Sie heraus!« rief sie. »Zeigen Sie sich! Unverschämt ist es, so auf der Lauer zu liegen! Wer sind Sie?«
In den Büschen raschelte es, dann trat ein Mann hervor mit Haaren so blond wie Sojas Haare. Einen schmutzigen erdbraunen Anzug trug er, die Hosenbeine in derbe Stiefel gesteckt, auf dem Kopf eine runde Mütze mit einem langen Schirm. Über die Schulter hatte er einen Rucksack geworfen. Ein Fremder. Drei Schritte kam er näher zu der Stelle, wo Soja im Gras lag, und blieb stehen.
»Als ich Sie im See sah, sagte ich mir: Hier ist ein Ort, wo du dich niederlassen könntest. Mein Name ist Igor Michailowitsch Jugorow. Und wie heißt du?«
»Soja Gamsatowna.«
»Das klingt wie Musik … als wenn der Wind in den Bäumen rauscht …«
Sie blieb im hohen Gras liegen, flach hingestreckt, fast unsichtbar. Nur ihr erhobener Kopf ragte über die Halme hinaus und – weiter abwärts – die oberste Rundung ihrer Gesäßbacken. Jugorow mußte lächeln, hockte sich in die Kniebeuge und sah Soja in das erregte Gesicht.
»Gehen Sie weg!« sagte sie hart. »Oder drehen Sie sich wenigstens um wie ein anständiger Mensch. Was machen Sie überhaupt hier?«
»Einen weiten Weg habe ich hinter mir. Ich wollte hier ein Bad nehmen, den Schmutz und den Schweiß abspülen und dann ein gutes Nachtlager suchen. Da kam eine Waldelfe gegenüber aus dem Wald und besetzte den See.«
»Reden Sie immer so dummes Zeug?« Sie stützte sich etwas höher auf die Arme, und Jugorow sah den Ansatz ihrer vollen Brüste. Er blieb in der Hocke und bewunderte ihr ebenmäßiges Gesicht, ihre blonden Haare und das zornige Blitzen in ihren Augen.
»Ich kann auch anders«, sagte er. »Du bist sehr schön. Aber das weißt du ja. Dein Mann muß ein glücklicher Mensch sein.«
»Ich habe keinen Mann … nicht einen Ehemann.« Mit der rechten Faust hieb sie in den Boden, und ihre Augen sprühten noch mehr Feuer. »Drehen Sie sich endlich um! Anziehen will ich mich.«
»Nun gut. Drehen wir uns um«, sagte Jugorow und erhob sich aus der Hocke. »Aber was soll's? Ich habe Sie ja schon in Ihrer ganzen nackten Schönheit gesehen. Ich verabscheue nutzlose Handlungen.«
Er wandte sich ab, hörte hinter sich, wie Soja aufstand und zu ihren Kleidern rannte. Und er wartete, bis sie ihm zurief: »Ich bin fertig, Genosse Jugorow …«
Angezogen sah sie nicht minder erregend aus. Durch die dünne Bluse schimmerten ihre Brüste, und der kurze Rock unterstrich nur noch ihre langen Beine. Jugorow schüttelte den Kopf.
»Wo bekommt man hier solche Röcke?« fragte er.
»In Tobolsk … manchmal …«
»Sie kaufen in Tobolsk ein?«
»Ja. Ich habe ein Motorrad. Damit komme ich überall hin.«
Ein Motorrad hat sie, dachte Jugorow und lächelte Soja wieder an. Welch ein Glücksfall! Ein Motorrad wäre genau das, was ich brauche. Beweglich ist man, kommt schnell von Ort zu Ort und kann sogar noch da durch den Wald fahren, wo kein Auto die Verfolgung aufzunehmen vermag. Ein Motorrad hat mir das Leben gerettet, unten im Süden, bei Turgai. Mit drei Jeeps waren sie hinter mir her, aber im dichten Wald blieben sie stecken, und ich flitzte im Zickzack um die Stämme herum wie ein Fuchs.
»Ein Motorrad?« wiederholte Jugorow. »Kann man es betrachten?«
»Ich bin zu Fuß gekommen.«
»Ah, du wohnst hier in der Nähe?«
»Ja, mit meinem Vater.« Soja schüttelte mit beiden Händen ihr Haar auf und blickte dabei in den Himmel. Das Abendrot übergoß mit ungeheuerlichen Flammen das Land. »Woher kommen Sie, Igor Michailowitsch?« fragte sie.
»Aus dem Wald.«
»Das ist keine Antwort.«
»Was wollen Sie hören, Soja Gamsatowna? Welche Stadt, welche Gegend soll ich Ihnen nennen? Was hätten Sie davon, wenn ich Ihnen irgendeinen Namen nenne? Ich bin da … das genügt.«
»Was wollen Sie in
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