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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Igorowitsch!« Niktin hatte mit dem Kopf geschüttelt. »Dieses Bild ist ja schrecklich.«
    »Und was hat man dagegen getan? Wie heute … man schickt Soldaten! Was sollen die hier? Jeden Spatenstich bewachen?«
    »Ohne Schutz kommen wir überhaupt nicht voran. Wir müssen diesen Lumpen zeigen, wer der Stärkere ist! Unglaublich ist das! Und woher – das fragen sich alle – bekommen sie Sprengstoff und moderne Waffen? Die Amerikaner, sage ich! Nur von den Amerikanern! Von diesen Imperialisten! Wenn wir am Aralsee Millionen Hektar fruchtbaren Boden schaffen, können sie ihr Futtergetreide zum Heizen nehmen, denn wir brauchen es dann nicht mehr. Auf den Magen drückt ihnen das natürlich, sie sehen ihre Geldbeutel schlaff werden. Mit allen Mitteln müssen sie verhindern, daß Rußland von der übrigen Welt unabhängig wird. Und so liefern sie auf heimlichen Wegen Waffen und Material an die verführten, gutgläubigen, unwissenden Menschen. Aber wir kriegen sie noch, Boris Igorowitsch. Wir kriegen sie! Wir werden die geheimen Wege entdecken und die Drahtzieher nennen. Und aufhalten lassen wir uns schon gar nicht!«
    »Sie wissen, Genosse Niktin, wie heftig, ja anklagend die Kritik der ganzen Welt an unserem Sib-Aral-Kanal ist. Klimaverschiebungen, stärkeres Abschmelzen des Nordpols, Erhöhung des Meeresspiegels, Umweltkatastrophen …«
    »Dummes Gerede. Alles dummes Gerede!«
    »Am besorgtesten sind die Deutschen mit ihrer Nordseeküste. Sie könnte sich völlig verändern, alle Küstenstädte ständen permanent unter Wasser … in Hamburg drei Meter hoch. Sämtliche Inseln wären überschwemmt …«
    »Die Deutschen! Sie sagen es, Genosse. Immer diese Deutschen! Immer das Maul auf, mal um zu schreien, mal um andere Völker zu fressen. Was gehen uns die Deutschen an? Haben sie gefragt, als sie damals dreizehn Millionen und sechshunderttausend unserer tapferen Väter und Söhne töteten, sieben Millionen Zivilisten, brave, unschuldige Menschen, vernichteten … zehn Prozent unserer Bevölkerung haben sie auf dem Gewissen, und nun schreien sie, wenn Sowjetrußland ein Jahrhundertprojekt in Angriff nimmt?! Jetzt erst recht, sollte man ihnen zurückrufen. Ersauft an euren Küsten! Aber da sieht man es wieder: Lenins Aufruf, der Kampf gegen die Imperialisten, wird ewig für einen Russen Verpflichtung sein. Und Rußland ist ewig!«
    Schemjakin war versucht gewesen, darauf in die Hände zu klatschen wie bei einer Parteirede zur Oktoberrevolution. Alles klang immer gleich, der Sieg war nahe, Rußland an der Spitze der Welt … seit über fünfzig Jahren klang das so, und man wartete weiter …
    »Kommen Sie herein, Genosse Major«, sagte Schemjakin jetzt. »Darf ich Ihnen Jossif Wladimirowitsch Niktin vorstellen, den Leiter des Projektes Abschnitt Tobol.«
    Niktin und Nasarow gaben sich kurz die Hand und waren sich vom ersten Anblick an unsympathisch. Ein kleiner Affe, dachte Nasarow über Niktin. Nimmt sich wichtig und ist eine Null. Und Niktin dachte: ein hochnäsiger Dummkopf, ein Kleiderständer für eine Uniform. Wir werden nur mühsam miteinander auskommen.
    »Stimmt es, Genosse Major«, fragte aus dem Hintergrund Walja Borisowna, »Sie haben aus Lebedewka zehn Gefangene mitgebracht?«
    »Ach, das weiß man schon?« Nasarow lächelte breit. »Sie haben ein vorzügliches Nachrichtensystem, mein lieber Schemjakin.«
    »Auch Frauen sollen darunter sein.«
    »Auch Frauen.« Nasarow nickte. »Verdächtige sind für mich geschlechtslos. Einen Toten hatten wir, hinterrücks erschossen. Ein junger, tapferer Mensch. Ich glaube, in der nächsten Zeit wird hier Ruhe sein.«
    »Ich möchte die Gefangenen sehen«, sagte Walja mit ruhiger, aber energischer Stimme. »Wann ist das möglich, Genosse Major?«
    »Überhaupt nicht.«
    »Ich bin Ärztin.«
    »Das ist bekannt. Aber was hat das mit den zehn Verdächtigen zu tun?«
    »Sie wissen, daß nach dem Gesetz jeder Gefangene Anspruch auf ärztliche Hilfe hat.«
    »Es ist keiner dabei, der ärztliche Hilfe nötig hätte.«
    »Besitzen Sie soviel medizinisches Wissen, um das beurteilen zu können?«
    »Sie essen und trinken und gehen aufrecht, also sind sie gesund! Eine einfache, aber zweifelsfreie Diagnose ist das. Da müssen Sie mir zustimmen, Walja Borisowna.«
    Nasarow setzte sich zu den anderen an den runden Tisch und sah, daß noch zwei Waffeln übriggeblieben waren, mit Zucker bestreut, mit Moosbeerenmarmelade gefüllt. Aber er war zu stolz, um zuzugreifen, und auch als die

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