Sich vom Schmerz befreien
die Skelettmuskulatur bzw. ihre Steuerung einzuwirken. Solche MaÃnahmen existierten selbstverständlich lange vor den wissenschaftlichen Erkenntnissen. Da man erlebte, dass Ruhe und Schonung, Wärme oder Kälte schmerzlindernd wirkten, waren dies sozusagen »natürliche« Therapien. Im Laufe der Zeit entstand daraus dann ein vielfältiges System schmerztherapeutischer Methoden innerhalb unserer Medizin. Alle therapeutischen Bemühungen haben in erster Linie die Aufgabe, die »Reparatur« durch Operationen und vor allem die Medikamentenbehandlung zu unterstützen, die zur Schmerzbehandlung bei uns nach wie vor im Vordergrund stehen. Wie war das bei Herrn M.?
Mit Schmerzen hatte er, wie erwähnt, schon immer zu tun. Waren es als Kind vor allem Bauchschmerzen, so traten als Jugendlicher und junger Erwachsener Rückenschmerzen in den Vordergrund - vor allem im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Maschinenschlosser. Erst dann suchte er deswegen seinen Hausarzt auf. Die Ursache war klar - die Belastungen durch seine körperliche Arbeit. Wenn es schlimm war, bekam er Spritzen. Er wurde ein paar Tage krank geschrieben mit der Empfehlung, »sich zu schonen«. Zwischendurch verschrieb ihm der Arzt Schmerzmedikamente, die er »bei Bedarf« einnehmen sollte. Ergänzend wurden Massagen verordnet. So ging es ihm zwar immer mal wieder
besser, die schmerzfreien Phasen jedoch wurden kürzer. Er erhielt in seiner Firma einen anderen Arbeitsplatz. Hier musste er kaum noch schwere körperliche Arbeiten verrichten, sondern hatte mit Organisation zu tun und saà vor allem am Schreibtisch.
An seiner Schmerzproblematik änderte dies nur wenig. Die Behandlungsweise wurde fortgesetzt, wobei er immer wieder neue Medikamente und Salben erhielt und unterstützend therapeutische Behandlungen wie Massagen, Wärme, Strom und Krankengymnastik; darüber hinaus auch die Empfehlung, »etwas Sport zu treiben und abzunehmen«, um seine Bandscheiben zu entlasten.
Die erwähnte Bandscheibenoperation ist insofern ein Einschnitt, als Herr M. ab jetzt als »Lendenwirbelsäulenpatient« gilt. Als solcher wird er im Rahmen der ambulanten Reha-MaÃnahme in erster Linie physiotherapeutisch behandelt: Zum einen Massage und Krankengymnastik, um Muskeln und Gewebe zu entspannen und Gelenke zu mobilisieren; zum andern eine medizinische Trainingstherapie (MTT), in der es darum geht, die Muskulatur zu kräftigen und zu trainieren. Seine Physiotherapeutin motiviert ihn auch dazu, »selbst etwas zu tun«. Sie zeigt ihm spezielle gymnastische Kräftigungs- und Dehnungsübungen, die er täglich durchführen soll. Dies gelingt ihm auch zeitweise, vor allem dann, wenn ihn die Schmerzen wieder öfter beeinträchtigen. Kurzfristig bessern sie sich - manchmal aber auch nicht. Darüber hinaus achtet er auf seine Ernährung und nimmt ab. Und auch dies verringert kurzfristig die Schmerzintensität.
Bei Herrn M. ist mit der Bandscheibenoperation die vermeintliche Hauptursache des Rückenschmerzes beseitigt und der Schmerz tatsächlich erst einmal weg. Sein Problem ist ein orthopädisches, die Schmerzen werden über Schädigungen am Bewegungsapparat definiert. Sie sind demnach die Folge von Belastungen, die durch die Gegebenheiten seines Arbeitsplatzes »erzwungen« werden, also letztendlich von Muskelaktivität und Muskelspannung, durch die sich Gewebe verändert und entzündet, die Gelenke und Bandscheiben abgenutzt und geschädigt und Nerven eingeklemmt werden. Von medizinischer Seite wird folglich auch die Muskelspannung als Schmerzursache behandelt. Für Herrn M. verläuft das Ganze zunächst sehr erfolgreich: Da er nach der Operation erst einmal nicht arbeiten muss und den damit verbundenen Belastungen nicht ausgesetzt ist, hat er viel Zeit zu üben, zu lernen und sich gesund zu ernähren. Er nimmt noch einige Wochen lang Medikamente ein und es geht ihm erst einmal gut.
Etwa nach einem Jahr beginnen die Rückenschmerzen jedoch erneut. Diesmal hauptsächlich etwas weiter oben sowie im Schulter-Nacken-Bereich. Darüber hinaus bereitet ihm, vor allem nach längeren Autofahrten und Spaziergängen, das rechte Knie Schwierigkeiten und er hat immer wieder Kopf- und Bauchschmerzen, die er, wie wir bereits wissen, vor allem im Zusammenhang mit »Stress und Ãrger im Beruf« erlebt. So sucht er wieder einen Arzt auf. Dieser untersucht
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