Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sich vom Schmerz befreien

Titel: Sich vom Schmerz befreien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Weitzer
Vom Netzwerk:
Meist ist es so, dass sie ihn auslöst und sogar verschlimmert, weswegen wir uns bei Schmerzen möglichst wenig bewegen und automatisch »Schonhaltungen« einnehmen. Sehr häufig wirkt eine Entspannung der Muskulatur schmerzlindernd, daneben gibt es aber auch Schmerzen, die erst dann nachlassen, nachdem man »in Bewegung gekommen« ist.
    Wiederum ist es die moderne Hirnforschung, die dieses Erfahrungswissen bestätigt und nachweist, dass sich die bio-elektrischen Prozesse im Nervensystem, die mit Schmerz und Aktivität der Skelettmuskulatur zu tun haben - die Fachausdrücke sind »Nozizeption« und »Motorik« -, gegenseitig beeinflussen und stets gemeinsam verändern. Man hat herausgefunden, dass immer, wenn ein Schmerzreiz (nozizeptiver Prozess) stattfindet, auch »Motoneuronen« angeschaltet werden, also Nervenzellen, die Muskeln aktivieren oder hemmen. Nun könnte man natürlich die Schmerzforschung auf die Erforschung der nozizeptiven Vorgänge beschränken. Dies wäre jedoch weit weg von der Realität und der Tatsache, dass Schmerz und Motorik gemeinsam betrachtet werden müssen, um relevante Aussagen treffen zu können. (Dies ist ein Beispiel für
systemisches Denken!) Nozizeptive Reize sind immer an motorische Vorgänge gekoppelt, vor allem chronische Schmerzen werden ursächlich hauptsächlich mit Muskelspannung in Verbindung gebracht.
    Mittlerweile gilt als erwiesen: Wenn es etwas gibt, das alle Schmerzen gemeinsam haben, dann ist es ihre Abhängigkeit von der Muskelaktivität. Bei allen Muskelarten ergeben Messungen, dass Spannungsvorgänge mit Schmerzen (und anderen gesundheitlichen Problemen) zusammenhängen. Die naturwissenschaftliche Medizin folgert daraus, dass diese Zusammenhänge objektiv erfasst werden müssen, um die Aktivität der Muskulatur bei der Schmerztherapie berücksichtigen zu können. In diesem Zusammenhang tauchen vor allem Maßnahmen aus der Physiotherapie auf, denn sie betreffen die Skelettmuskulatur, die man sowohl von außen direkt behandeln als auch willentlich steuern kann.
Muskulatur als Schmerzursache
    Auch viele Schmerzursachen bei Herrn M. haben direkt oder indirekt mit der Muskulatur und ihrer Aktivität bzw. Spannung zu tun: Beispiele sind das viele Sitzen, Fehlhaltungen, Bewegungsmangel, Belastungen durch bestimmte Tätigkeiten und muskuläre Defizite, aber auch Verschleißerscheinungen und degenerative Veränderungen. Beim »Maschinenmodell« kann man Schmerzen und ihre Verursachung durch die Skelettmuskulatur in dreierlei Hinsicht untersuchen:
    1. Da sind die Schmerzen, die durch die strukturelle Beschaffenheit eines Muskels selbst begründet sind. Hierher gehören Diagnosen wie »verkürzte«, »verhärtete«, »verklebte«, »verknotete« und »entzündete« Muskeln und Bindegewebsstrukturen. Es handelt sich um die Gruppe von »Muskelschmerzen« und zur Therapie werden hier neben Medikamenten vor allem Apparate (etwa für Strombehandlungen)
und manuelle Massagetechniken verwendet. Im ersten Kapitel bin ich auf das Prinzip der »Plastizität« in der Funktionsweise von Gehirn und Nervensystem eingegangen (siehe S. 32 ff.). Dies gilt auch für die Muskulatur: Die Funktion bestimmt die Struktur und diese wiederum beeinflusst das Funktionieren. Das heißt, die strukturelle Beschaffenheit eines Muskels hängt ab von der Art, wie Sie ihn gebrauchen. Trainieren Sie ihn, wird er dicker und kräftiger, benutzen Sie ihn gar nicht mehr, baut ihn der Organismus ab. Entsprechende Muskelaktivitäten und Muskelspannungen führen zu den oben genannten degenerativen strukturellen Veränderungen.
    2. Somit kann bei Schmerzursachen, die sich auf die Muskulatur beziehen, der Focus auch auf deren Aktivität gelegt werden. Dieser zweite Gesichtspunkt ist sozusagen ein übergeordneter. Dabei bestimmt die Muskelaktivität nicht nur, was aus dem Muskel selbst wird, sondern auch, welche Belastungen sich daraus für andere Bereiche des Organismus, speziell des Bewegungsapparates, ergeben. Übermäßige Muskelspannungen und belastende Aktivitäten, die sich in Verhaltensgewohnheiten, Bewegungsmustern und Fehlhaltungen zeigen, bedeuten - im Verständnis des Maschinenmodells - über kurz oder lang vor allem biomechanische Belastungen, die mit Schmerzreizen zusammenhängen. Das heißt: Nerven werden »eingeklemmt« und

Weitere Kostenlose Bücher