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Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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lachte laut auf. »Alles umsonst, mein Lieber. Du hast dich selbst verraten. Mich verraten. Sie verraten. Und das alles für ein bisschen Sterblichkeit. Und für diese Kleinigkeit, na   … wie hieß sie noch   …?« Er schnippte mit den Fingern, schnalzte mit der Zunge. »Ach ja: Liebe. Das war das Wort, das ich gesucht habe. Liebe. Dafür hast du alles aufgegeben und bist zu einem Menschen ohne Erinnerung geworden.«
    »Ich habe sie geliebt«, gab Rouven zu. »Und ich liebe sie noch.«
    »Igitt«, tönte Jachael höhnisch. »Dates mit einer Leiche. Ich bin entsetzt, was diese Sterblichkeit aus einem machen kann.« Doch plötzlich ließ er diesen ironischen Ton und fauchte Rouven scharf an: »Sieh dich doch mal an, Rouven. Schau, was aus dir geworden ist!«
    »Ich liebe sie«, flüsterte Rouven nur als Antwort.
    Jachael kam hervorgeschossen und packte Rouven mit beiden Händen am Kragen. »Du weinerliche Figur. Du   … du   … Ruine   …« Er hob Rouven in die Höhe und schleuderte ihn durch die Luft. Rouven stieß hart gegen die Holztür und landete unsanft auf dem Boden. »Werd endlich wach!«, bellte Jachael ihn an. »Komm zu dir. Und vor allem: Komm zu mir! Wir beide haben noch eine Rechnung offen, du und ich.« Er zeigte mit den Fingern auf das Fensterbild in der Wand der Kapelle. »Damals hast du meinen Plan vereitelt. Du hast die Familien zurückgebracht. Du hast mir Wunden zugefügt, von denen ich mich jahrhundertelang nicht erholen konnte. Du bist mir was schuldig, Rouven!«
    Rouven erhob sich vom Boden und winkte ab. »Geh zum Teufel, Jachael. Aber ich vermute, selbst der kann dich nicht mehr ausstehen, oder?«
    Das war zu viel. Wutschnaubend kam Jachael auf Rouven zugerannt. Seine Augen funkelten rot. Seiner Nase entstieg Qualm. Und auf seiner Stirn bildeten sich zwei Wölbungen. Er rannte durch die Kapelle, und bis er Rouven erreicht hatte, waren aus den Wölbungen lange Stierhörner geworden. Noch einmal packte er Rouven und drückte ihn gegen die Wand.
    »Ein letzter Kampf, Rouven. Das bist du mir schuldig. Die letzten Seelenschützer und dich   – mehr will ich nicht. Mein Triumph. Ich brauche dich und deine Kräfte. Jetzt. Ich   …«
    Rouven wandte den Blick ab. »Geh«, sagte er angewidert. »Lass mich!«
    Jachael zögerte einen Moment. Dann raunte er: »Du hast es so gewollt.« Dann packte er mit beiden Händen Rouvens Kopf und blickte ihm fest in die Augen.
    Rouven schrie auf. Doch es war zu spät. Jachael hatte noch einmal Besitz von ihm ergriffen. Wieder tauchte Jachael tief in das Bewusstsein Rouvens ein.
    Und erneut sah Rouven Bilder vor seinem Auge entstehen.
    »Nein«, schrie Rouven auf. »Bitte. Das nicht!«
    »Du lässt mir keine andere Wahl«, hörte er Jachaels Stimme. »Stell dich dem Ganzen noch einmal!«
    Rouven wand sich. Er verschloss die Augen. Doch selbst mit geschlossenen Lidern sah er die Szene vor sich: Wie er an der Kapelle stand, Tabitha an seiner Seite. Sie waren von einigen Menschen umringt. Es war Nacht. Eine Neumondnacht. Die Menschen blickten alle auf ihn. Auf Rouven. Sie erwarteten eine Antwort von ihm.
    Rouven sah diese Szene wie ein Bild. Nichts bewegte sich.
    Er hörte Jachaels Stimme: »Du weißt, welche Nacht dies ist, oder?«
    »Ja, Tabithas Nacht. Die Nacht, in der sie sterben muss. Bitte, verschone mich damit.«
    »Ich möchte nur sichergehen, dass du keinen Fehler machst. Ich muss dir noch einmal zeigen, was du aufgeben wirst, wenn du dich mir nicht stellst. Siehst du zum Beispiel diese Frau dort hinten? Diese ältere rundliche Dame?«
    Rouven schaute in die Menge. »Nana«, sagte er, doch dann verbesserte er sich: »Rosemarie.«
    Jachael schnalzte vor Begeisterung. »Oh, du erinnerst dich. Wie schön. Dann weißt du sicher auch, was sie hier möchte, oder?«
    »Sie ist eine meiner Gefährten. Sie ist eine der zwölf Seelenschützer. Sie ist meine Pflegemutter auf der Erde.«
    Jachael war begeistert. »Ausgezeichnet. Das läuft ja besser, als ich dachte. Dein Gedächtnis kommt wieder. Los, sprich!«
    Rouven wirkte erschöpft. »Sie steht bereit, wenn ich komme. Es gibt zwölf von ihrer Sorte. Menschen, die mein Kommen erwarten. Alle sieben Jahre verlasse ich die Halle der Seelen und komme für einige Wochen auf die Erde. Als Säugling liege ich in dieser Kapelle und werde von ihnen in die Familie aufgenommen. Binnen wenigerTage wachse ich heran und habe dann Zeit, mich umzusehen. Mir ein Bild von dem Zustand der Erde zu machen. Und meine

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