Sicherheitsfaktor III
Wendell McNaird ist ein hochgewachsener, starkknochiger Mann Ende Vierzig, eine Gestalt, in der jeder unweigerlich den Offizier erkennt. Seine hervorragende Stärke ist die Disziplin. Wenn Torpentouf ihm hätte sagen wollen, was ihn bedrückt, dann hätte er es gesagt. Da er es nicht gesagt hat, geht McNaird die Sache nichts an. So einfach ist das für einen Mann wie McNaird. Disziplin macht das Leben einfacher und läßt einem mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge.
Mike Torpentouf schwingt sich in seinen Turbo und fährt mit hoher Geschwindigkeit davon. Die Kontrolle an der Grenze des inneren Sperrgebiets passiert er sozusagen in fliegendem Start: Der Motor hätte sich nicht in Gang setzen lassen, wenn das kleine Spürgerät unter dem Armaturenbrett Mike Torpentouf nicht als rechtmäßigen Besitzer oder autorisierten Benutzer des Fahrzeuges erkannt hätte, und da das Spürgerät seiner Sache derart sicher ist, kann es an den Kontrollmechanismus an der Grenze des inneren Sperrgebiets jenen Kode abstrahlen, der dem Computer sagt, daß der Chauffeur des schnellen Fahrzeugs unverdächtig ist.
Die Straße, die nach Norden durch den äußeren Sperrbezirk in die Wohngebiete führt, läuft unmittelbar am Strand entlang. Weit draußen sieht Mike Torpentouf die vorgelagerten, von weißem Schaum umspülten Koralleninseln – und sieht sie doch wieder nicht, denn seine Gedanken sind bei Janine und dem merkwürdigen Brief, der ihr solche Angst einjagt. Die Straße ist so gut wie leer. Außerdem verfügt sie über ein zuverlässiges Funkleitsystem. Mike Torpentoufs tropfenförmiger Turbowagen braust mit mehr als zweihundert Stundenkilometern dahin. An der Grenze des Wohnbezirks wird das Fahrzeug automatisch verlangsamt. In den Gärten ringsum sprießt üppige, tropische Vegetation. Torpentouf sieht nichts davon. Der Wagen gleitet auf die gekrümmte Auf fahrt zur Garage. Das Tor öffnet sich selbsttätig, ebenso das Wa genluk. Torpentouf springt heraus. Das Haus hat einen rückwärtigen Eingang durch die Garage. Die Tür steht offen. Janine Torpentouf erwartet ihren Mann.
»Wo ist er?« ruft Torpentouf im Laufen und hält es für ganz selbstverständlich, daß sie weiß, was er meint: Den Brief.
»Im vorderen Zimmer, auf dem Cocktailtisch.« Sie eilt hinter ihm her. »Ich wollte ihn nicht allzu oft anfassen, weißt du? Wegen … der Untersuchung …«
Er hört kaum hin. Er stürmt durch die Wohnung hindurch bis ins vordere Zimmer. Auf dem sonst leeren Cocktailtisch liegt der Brief, ein harmloser, altmodischer Umschlag im Format 25 mal 11 Zentimeter, das letzte Modell der Briefumschlagindustrie, die seit einem Dutzend Jahren keine neuen Modelle mehr erzeugt, weil die Leute das Briefeschreiben allmählich verlernen.
Mike Torpentouf steht vor dem Tisch und starrt den Brief an. Er liegt mit der Vorderseite nach oben, und dort stehen die Wor te, die Janine ihm vorgelesen hat. Sie sind mit der Maschine geschrieben, eines jener modernen Geräte, die keinen mechanischen Eindruck erzeugen, sondern die Zeichen mit Hilfe einer optischen Vorrichtung in die besonders präparierte Oberfläche der Papierfolie brennen.
Plötzlich packt Torpentouf die Wut. Hier steht er und hat sich von einem lächerlichen Brief ins Bockshorn jagen lassen! Er weiß noch nicht einmal, wie ihm das seltsame Ding ins Haus gekommen ist: Er hat vergessen, Janine danach zu fragen. Und jetzt starrt er den altmodischen Umschlag an, als gehe von ihm eine unsichtbare Kraft aus, als müsse er sich davor fürchten, das Ding auch nur in die Hand zu nehmen.
Mit wütendem Knurren beugt er sich vor und reißt den Brief vom Tisch. Er dreht ihn um, wie es die Angewohnheit vieler Leu te ist, die einen Brief
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