Sicherheitsfaktor III
bekommen und an der Vorderseite nicht erkennen können, von wem er ist.
Da erstarrt er mitten in der Bewegung, und sein rosafarbenes Gesicht wird aschfahl. Die Rückseite des Umschlags trägt den Eindruck eines Stempels. Der Eindruck wirkt wie ein Siegel. Die ebenen Flächen sind silbern verfärbt, die eingeprägten Linien schillern in allen Regenbogenfarben. Mike Torpentouf kennt dieses Siegel. Er selbst ist der einzige, der es benutzen darf, ohne sich vorher Erlaubnis einholen zu müssen. Das Siegel wird auf die Unterlagen gesetzt, deren Geheimhaltungsstufe um einen oder mehrere Grade verringert wird. Derjenige, der dieses Siegel besitzt, kann im Handumdrehen selbst die geheimsten Dokumente der Wissenschaftlichen Abwehr zu unklassifizierten Wischen machen. Deswegen wird es so sorgsam aufbewahrt: In einem Tresor, zu dem absolut nur der Chef der Henderwon Island Security Administration Zutritt hat.
Aber Mike Torpentouf ist ein Kämpfer. Der Anblick des Sie gelabdrucks hat ihn ein oder zwei Sekunden lang erschüttert. Jetzt hat er sich wieder in der Gewalt. Er lächelt Janine an.
»Ein übler Scherz«, sagt er, »weiter nichts.« Er klopft mit dem Knöchel auf den Abdruck des Siegels. »Ein ziemlich kritischer Stempel, das. Wer ihn an sich genommen hat, ohne dazu berechtigt zu sein, der wird für die nächsten fünf Jahre seines Lebens nicht mehr froh … selbst wenn er meint, daß er sich nur einen Spaß machen wollte.«
Er sieht Janine aufatmen. Das tut ihm gut.
»Willst du den Brief nicht öffnen?« fragt sie.
»Nicht hier«, gibt er ihr zur Antwort. »Das muß von Fachleuten gemacht werden. Auf dem Umschlag gibt es wahrscheinlich Spuren, die der merkwürdige Spaßvogel hinterlassen hat.«
Sie widerspricht nicht. Er geht durch die Wohnung zurück zur Garage. Janine steht wieder unter der Tür und winkt ihm zu. Er winkt zurück. Schweren Herzens fragt er sich, ob sie noch so gelassen sein wird, wenn er sie heute abend wiedersieht.
»Ich möchte, daß Sie sich das Ding genau ansehen«, sagt General Torpentouf mit ungewöhnlich harter Stimme. »Es ist in höchstem Maße verdächtig.«
Mißtrauisch mustert Jeffer Siegel den blaßgrauen Umschlag. Siegel ist Chef der Investigation and Identification Division, ein Experte auf seinem Gebiet, obwohl er mit seiner saloppen Kleidung, seinem faltigen Gesicht, das noch nie eine Spur von einem Teint gezeigt hat, und seiner mürrischen Miene eher aussieht wie ein New Yorker Gebrauchtwarenhändler. Er zieht ein kleines Messer aus der Tasche, läßt die Klinge aufspringen, schiebt sie unter den Brief und wendet den Umschlag auf den Rücken. Als er den Siegelabdruck erkennt, pfeift er zwischen den Zähnen hindurch.
»Sofort, Chef!« sagt er.
Er packt den Brief zwischen zwei Fingern, deren Kuppen durch dünne Papierfolie geschützt sind, und verläßt den Raum. Mike Torpentouf wendet sich zum zweiten Mal an diesem Tag der kleinen Kammer zu, die in Wirklichkeit eine Aufzugkabine ist. Diesmal braucht er keinen Random-number-generator, der ihm sagt, wann es zum nächsten Mal an der Zeit ist, die Unterwelt aufzusuchen. Diesmal hat Mike Torpentouf selbst ein ernsthaftes Anliegen.
Die Kabine erreicht schneller ihr Ziel als bei der letzten Abfahrt. Der Gang, den der General betritt, ist kürzer als der, an dessen Ende die Kontrollzentrale liegt. Dennoch muß er dieselbe Prüfprozedur über sich ergehen lassen. Weiter hinten gibt es metallene Türen zu beiden Seiten des Ganges. Torpentouf öffnet eine davon und tritt in ein Büro, das seinem oberirdischen Arbeitsraum gleicht wie ein Ei dem andern. Hier wie dort gibt es ein Fenster, das in Wirklichkeit kein Fenster ist, sondern ein Bildschirm, dem von irgendeinem Aufnahmegerät
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