Sicherheitsfaktor III
Stunden wesentlich schwärzer gemacht hat als ich.«
Er fuhr mit der Hand durch die Luft. Es sollte eine wegwerfende Geste sein, aber was Gesten angeht, so vergriff der Kleine sich meistens: Sie fielen gewöhnlich zu theatralisch aus.
»Vergiß das wieder«, sagte er und hatte wohl noch mehr auf der Zunge. Aber er wurde unterbrochen. Ein Summer ertönte.
Ich wußte nicht genau, was das zu bedeuten hatte, und sah mich um.
»Mister Konnat, Mister Utan, jemand möchte Sie sprechen!« sagte eine sachlich klingende Stimme.
Ich kenne solche sachlich klingenden Stimmen. Sie gehören meist Maschinen. Ich nahm an, daß die Maschine mich hören konnte, obwohl sie sich nicht in diesem Raum befand. Aufs Geratewohl fragte ich:
»Wer wünscht uns zu sprechen?«
»Mister Torpentouf.«
In diesem Etablissement schienen sie etwas gegen militärische Rangbezeichnungen zu haben. Jedermann war einfach »Mister«. Na schön, mir sollte es recht sein.
»Und worauf wartest du noch?« erkundigte ich mich.
Maschinen redet man nicht anders als per du an.
»Auf Ihre Genehmigung«, klang es aus dem unsichtbaren Lautsprecher.
»Die hast du. Laß den Mann rein!«
»Es wird ein paar Sekunden dauern, Sir«, erklärte die Maschi ne, und dann hörte ich an einem leisen Knacken, daß sie abgeschaltet hatte.
Wir begaben uns in den Salon, in der Annahme, daß Mike Torpentouf wahrscheinlich den Haupteingang zu unseren Gemächern benutzen würde. Unsere Vermutung erwies sich als richtig. Wir hatten die Tür kaum hinter uns geschlossen, da öffnete sich der Eingang, und Mike Torpentouf erschien.
Hannibal hatte sich in Positur gestellt und wollte auf ihn zufliegen, den alten Kameraden längst vergangener Abenteuer. Aber als er Mike erblickte, stockte er, und mir erging es ebenso. Das war nicht der Mike Torpentouf, den wir in Erinnerung hat ten! Sein rosafarbenes, rundliches Gesicht hatte sich in graue Falten gelegt. Er wirkte müde und zerschlagen. Und ebenso müde wie der Ausdruck seines Gesichts war sein Gang. Er schlurfte förm lich herein, und den Blick hielt er zu Boden gerichtet, als fürchte er, uns in die Augen blicken zu müssen.
Da wußte ich, daß etwas Entsetzliches geschehen sein mußte.
»Die Mädchen waren auf dem Weg zum Kindergarten«, sagte Mike Torpentouf, »aber sie kamen nie dort an.«
Im Gegensatz zu den ersten Worten, die wir von ihm zu hören bekommen hatten, sprach er jetzt fließend und ohne Stockungen. Aber seine Stimme hatte noch immer den Klang absoluter Trostlosigkeit, und er hütete sich noch immer davor, uns in die Augen zu sehen.
Er hatte uns von dem Brief erzählt, den er auf so geheimnisvolle Art und Weise erhalten hatte: Janine hatte ihn auf der Anrichte in der Küche gefunden. Sie hatte den Raum nur für wenige Minuten verlassen und war absolut sicher, daß der Brief vorher nicht dalag. Wie alle Häuser in der Wohnsiedlung war auch Torpentoufs Bungalow auf vielfältige Weise abgesichert. Nach menschlichem Ermessen war es unmöglich, daß ein Fremder unbemerkt ins Innere des Hauses gelangte … und dennoch mußte es geschehen sein. Die Mädchen, von denen Mike sprach, waren Drillinge, die einander bis aufs Haar glichen. Ihr Alter betrug – da mußte ich kurz zurückrechnen – viereinhalb Jahre. Mike Torpentouf bekannte, daß er angesichts des vielfach abgesicherten Geländes kein Risiko darin gesehen hatte, die Mädchen jeden Morgen die Straße hinab bis zur nächsten Ecke gehen zu lassen, wo der Siedlungsbus sie aufnahm und zum Kindergarten brachte. Der Besuch des Kindergartens war für Kinder von unter fünf Jahren eine ganz und gar freiwillige Sache. Die Kindergärtnerinnen hatten bei Unterrichtsbeginn wohl
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