Sie
von den Angeklagten wie von den Versammelten und der Königin in tiefem Schweigen aufgenommen. Als ich geendet hatte, rief Ayesha Billali an, und dieser bestätigte, den Kopf vom Boden hebend, doch liegenbleibend, meine Geschichte. Weiteres Zeugnis wurde nicht eingeholt.
»Ihr habt gehört«, sagte ›Sie‹ schließlich mit kalter, klarer Stimme, deren Ton mir ganz fremd war. Es war, nebenbei bemerkt, eine der seltsamsten Eigenschaften dieses merkwürdigen Geschöpfes, ihre Stimme auf wunderbare Weise der jeweiligen Stimmung anpassen zu können. »Was habt ihr aufrührerischen Kinder gegen eure Bestrafung einzuwenden?«
Eine Weile kam keine Antwort, doch schließlich ergriff einer der Männer, ein prächtiger, muskulöser Bursche mittleren Alters mit scharfgeschnittenen Gesicht und Habichtsaugen, das Wort und sagte, man habe ihnen lediglich befohlen, die weißen Männer zu schonen; von ihrem schwarzen Diener sei nicht die Rede gewesen, und deshalb hätten sie, aufgehetzt von einem Weib, das nun tot sei, versucht, ihn nach der alten, ehrwürdigen Sitte ihres Landes mit dem heißen Topf zu töten, um ihn zu verzehren. Was ihren Angriff auf uns beträfe, so sei er in einem plötzlichen Wutanfall erfolgt, und sie bedauerten ihn tief. Zum Schluß bat er demütig um Gnade; oder man möge sie wenigstens nur in die Sümpfe verbannen, damit sie dort, wie es sich fügte, lebten oder stürben. Ich merkte jedoch seiner Miene an, daß er nur wenig Hoffnung auf Gnade hatte.
Eine Pause folgte, in der tiefes Schweigen herrschte, und das Bild, das sich mir im Schein der flackernden, Licht und Schatten auf die Felswände werfenden Lampen bot, war eins der unheimlichsten, die ich je gesehen habe. Auf dem Boden vor der Plattform lagen wie leblos hingestreckt die Zuschauer, in langen Reihen, die sich schließlich im dunklen Hintergrund der Höhle verloren. Vor ihnen standen dicht zusammengedrängt die Missetäter, bemüht, ihre Todesangst hinter gelassenen Mienen zu verbergen, rechts und links flankiert von den weißgekleideten, mit großen Speeren und Dolchen bewaffneten Wächtern und den stummen Weibern und Männern, die sie mit hartem, neugierigem Blick betrachteten. Über ihnen allen saß auf ihrem barbarischen Thron, ich zu ihren Füßen, das weiß verschleierte Weib, dessen Schönheit und grauenhafte Macht es wie ein Glorienschein zu umschweben schienen oder wie der Schein eines unsichtbaren Lichtes. Nie erschien mir ihre verhüllte Gestalt schrecklicher als in diesem Augenblick, da sie auf Vergeltung sann.
Endlich sprach sie.
»Hunde und Schlangen«, begann Ayesha mit leiser Stimme, die allmählich, als sie fortfuhr, anschwoll und schließlich die ganze Höhle füllte, »Esser von Menschenfleisch – zweierlei habt ihr verbrochen. Erstens habt ihr diese weißen Fremdlinge angegriffen und wolltet ihren Diener töten, und dafür allein gebührt euch der Tod. Doch das ist noch nicht alles. Ihr wagtet, ungehorsam gegen mich zu sein. Befahl ich euch nicht, diese Fremdlinge gut aufzunehmen? Doch ihr versuchtet, sie zu erschlagen, und wären sie nicht übermenschlich tapfer und stark gewesen, so hättet ihr sie grausam gemeuchelt! Hat man euch nicht von Kindheit an gelehrt, daß mein Wort Gesetz ist und daß, wer dieses auch nur im mindestens bricht, des Todes ist? Haben eure Väter euch dies nicht gelehrt, sage ich, als ihr noch Kinder wart? Wißt ihr nicht, daß ihr ebensowenig hoffen könnt, mich von meinem Willen abzubringen oder mein Wort nach Belieben leicht oder schwer zu nehmen, wie es euch gelingen würde, diese Höhlen zum Einsturz zu bringen oder der Sonne in ihrem Laufe Einhalt zu gebieten? Ihr wißt es wohl, ihr Verruchten. Doch ihr seid böse bis ins Mark – die Bosheit sprudelt in eurem Inneren wie ein Quell zur Frühlingszeit. Wäre ich nicht, so würdet ihr schon vor Generationen untergegangen sein, denn in eurer Bosheit hättet ihr euch gegenseitig ausgerottet. Und nun hört das Urteil: Weil ihr dies getan habt, weil ihr versucht habt, diese Männer, meine Gäste, umzubringen, mehr noch, weil ihr gewagt habt, euch meinem Wort zu widersetzen, befehle ich, daß man euch zur Folterhöhle * bringt und den Folterknechten übergibt und daß morgen bei Sonnenaufgang jene von euch, die noch am Leben sind, getötet werden, auf die gleiche Weise, wie ihr den Diener dieses meines Gastes töten wolltet.«
Sie verstummte, und ein Murmeln des Entsetzens erhob sich. Die Opfer verließ, als sie sich der Gräßlichkeit ihres
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