Sie
Aussichtslosigkeit dieser Lage einsehend, dazwischentreten, wußte ich doch, daß Leo gegenüber Frauen von nicht sehr großer Festigkeit war, doch da hörte ich – o Schrecken! – hinter mir ein silberhelles leises Lachen. Ich fuhr herum, und da stand ›Sie‹ mit Billali und zwei stummen Dienern. Der Atem stockte mir, und fast wäre ich zu Boden gesunken, denn ich wußte, daß diese Situation mit einer furchtbaren Tragödie enden mußte, deren erstes Opfer aller Wahrscheinlichkeit nach ich sein würde. Ustane ließ den Geliebten los und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen, während Leo, den ganzen Ernst der Lage nicht erfassend, nur errötete und töricht dreinblickte, wie es ein auf diese Weise ertappter Mann zu tun pflegt.
20
Triumph
Es folgte ein Moment des peinlichsten Schweigens, das ich je erlebte. Ayesha brach es, indem sie Leo ansprach.
»Nein, mein Gast und Gebieter«, sagte sie in sanftestem Ton, der dennoch einen ehernen Klang hatte, »schau nicht so zerknirscht drein. Es war ein reizender Anblick – der Leopard und der Löwe!«
»Ach, zum Henker!« sagte Leo auf englisch.
»Und dich, Ustane«, fuhr sie fort, »hätte ich wahrhaftig nicht erkannt, wenn nicht das Licht auf das Weiß in deinem Haar gefallen wäre«, und sie deutete auf den hellen Rand des Mondes, der eben über den Horizont stieg. »Gut! Gut! Der Tanz ist aus – sieh, die Fackeln sind niedergebrannt, und alles endet in Schweigen und in Asche. Du dachtest, dies sei die rechte Zeit für die Liebe, Ustane, meine Dienerin – und ich, die ich mir nicht hätte träumen lassen, daß man mir den Gehorsam verweigern könnte, wähnte dich schon weit fort von hier!«
»Spotte meiner nicht«, stöhnte die Unglückliche; »töte mich und mache ein Ende.«
»Nein, warum? Es ist nicht gut; von der Lippen Liebesglut so rasch dem kalten Mund des Grabes sich zuzuwenden«, und sie gab den Stummen ein Zeichen, worauf diese vortraten und das Mädchen an den Armen ergriffen. Mit einem Fluch stürzte Leo sich auf den ihm nächsten, schleuderte ihn zu Boden und blieb mit düsterer Miene und geballten Fäusten über ihm stehen.
Wieder lachte Ayesha. »Gut gemacht, mein Gast; für einen, der vor so kurzer Zeit noch krank war, hast du einen starken Arm. Doch jetzt ersuche ich dich, schone diesen Mann und lasse ihn meinen Befehl ausführen. Er wird dem Mädchen nichts tun; die Nachtluft ist kalt, und meine Gemächer stehen ihr zur Verfügung. Jemandem, dem du so gewogen bist, gehört natürlich auch meine Gunst.«
Ich packte Leo am Arm und zog ihn von dem am Boden liegenden Stummen weg. Widerspruchslos ließ er es geschehen. Darauf begaben wir uns zur Höhle. Auf dem Plateau, über das wir gingen, war von dem Feuer, das zum Tanz geleuchtet hatte, nur noch ein Haufen weißer Menschenasche übrig, und die Tänzer selbst waren verschwunden.
Bald traten wir in Ayeshas Boudoir – nur allzubald, wie es mir schien, denn eine düstere Vorahnung dessen, was nun geschehen würde, bedrückte mein Herz.
Ayesha nahm auf ihren Kissen Platz, befahl ihren Dienerinnen, nach den Lampen zu sehen, und schickte sie – bis auf ihre Lieblingsdienerin – zusammen mit Job und Billali hinaus. Wir drei blieben stehen, die unglückliche Ustane ein wenig abseits zu unserer Linken.
»Nun, o Holly«, begann Ayesha, »wie kommt es, daß du hörtest, wie ich dieser Missetäterin« – sie deutete auf Ustane – »gebot, von hier fortzugehen, du, auf dessen Bitten ich ihr törichterweise das Leben schenkte – wie kommt es, frage ich, daß du teilnahmst an dem, was ich heute abend sah? Antworte, und um deiner selbst willen, merke, sprich die Wahrheit, denn ich bin nicht gewillt, in dieser Sache Lügen zu dulden!«
»Es war ein Zufall, o Königin«, erwiderte ich. »Ich wußte nichts davon.«
»Ich will dir glauben, o Holly«, sagte sie in eisigkaltem Ton, »und dies ist, sei versichert, zu deinem Besten. Somit liegt die ganze Schuld bei ihr.«
»Ich finde keinerlei Schuld darin«, warf Leo ein. »Sie ist keines anderen Mannes Weib, und offenbar hat sie mich nach dem Brauch dieses schrecklichen Landes geehelicht. Was ist also Schlechtes daran? Jedenfalls, Madame«, fuhr er fort, »habe, was immer sie getan hat, auch ich getan, und deshalb muß, wenn sie bestraft wird, ich ebenfalls bestraft werden. Aber ich sage dir«, rief er, sich in Wut redend, »wenn du einem von diesen taubstummen Halunken befiehlst, sie wieder anzurühren, reiße ich ihn in Stücke!« Und
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