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Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Titel: Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard P. Feynman
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beständig eben diese Leute einsetzen, um die Methoden zu verbessern. Das ist auch so ein Wunderheilmittel, das nicht wirkt. Man müßte das untersuchen: Woher wissen sie eigentlich, ob ihre Methode wirkt? Ein anderes Beispiel ist die Behandlung von Verbrechern. Offenbar ist es uns nicht gelungen - wir besitzen zwar viele Theorien, haben aber keinen Fortschritt gemacht -, durch die Methode, mit der wir Kriminelle gewöhnlich behandeln, die Verbrechensrate zu senken.
    Trotzdem heißt es, diese Dinge seien wissenschaftlich. Sie werden studiert. Und ich glaube, gewöhnliche Leute, die vernünftige Ideen haben, werden von dieser Pseudowissenschaft eingeschüchtert. Die Lehrerin, die eine gute Idee hat, wie sie ihren Schülern das Lesen beibringen kann, wird vom Schulsystem gezwungen, es anders zu machen - oder läßt sich vom Schulsystem sogar weismachen, daß die Methode nichts taugen könne. Oder eine Mutter bestraft ein paar Lümmel und fühlt sich für den Rest ihres Lebens schuldig, weil sie im Sinne der Experten nicht »das Richtige« getan hat.
    Wir sollten uns also Theorien, die nicht funktionieren, und Wissenschaften, die keine sind, sehr genau anschauen.
    Ich glaube, die pädagogischen und psychologischen Untersuchungen, die ich erwähnt habe, sind Beispiele für das, was ich als Cargo-Kult-Wissenschaft bezeichnen möchte. In der Südsee gibt es bei bestimmten Völkern einen Cargo-Kult. Während des Krieges sahen sie, wie Flugzeuge mit vielen brauchbaren Gütern landeten, und nun möchten sie, daß das wieder geschieht. So sind sie übereingekommen, Landebahnen anzulegen, seitlich der Landebahnen Leuchtfeuer anzuzünden, eine Hütte aus Holz zu bauen, in der jemand mit einem hölzernen Apparat sitzt, der wie ein Kopfhörer aussieht und in dem Bambusstöcke als Antennen stecken - das ist der Fluglotse -, und sie warten darauf, daß die Flugzeuge landen. Sie machen das jede Nacht. Die Form ist perfekt. Es sieht genauso aus, wie es früher aussah. Aber es funktioniert nicht. Es landen keine Flugzeuge. All das nenne ich Cargo-Kult-Wissenschaft, weil es anscheinend allen Rezepten und Formen der wissenschaftlichen Forschung folgt, aber etwas Wesentliches verfehlt, denn die Flugzeuge landen ja nicht.
    Nun obliegt es mir natürlich, Ihnen zu sagen, was dabei verfehlt wird. Aber das wäre ungefähr so schwierig, wie wenn ich den Südseeinsulanern erklären wollte, wie sie's anstellen müssen, um mit ihrem System zu einem gewissen Wohlstand zu kommen. Es geht nicht einfach darum, ihnen zu sagen, wie sie die Form der Kopfhörer verbessern können. Aber mir fällt auf, daß es etwas gibt, das bei der Cargo- Kult-Wissenschaft im allgemeinen fehlt. Es handelt sich um eine Idee, von der wir alle hoffen, daß Sie sie beim naturwissenschaftlichen Unterricht in der Schule gelernt haben - wir sagen nie ausdrücklich, was es ist, sondern hoffen halt, daß Sie durch all die Beispiele wissenschaftlicher Forschung kapieren, um was es geht. Insofern ist es interessant, diese Idee jetzt vorzubringen und ausdrücklich von ihr zu sprechen. Es handelt sich um so etwas wie wissenschaftliche Integrität, um einen Grundsatz des wissenschaftlichen Denkens, der gleichsam äußerster Ehrlichkeit entspricht - etwas, worum man sich in jeder nur erdenklichen Weise bemüht. Wenn Sie zum Beispiel ein Experiment durchführen, sollten Sie alles mitteilen, was es Ihrer Meinung nach ungültig machen könnte - nicht nur das, was Ihrer Meinung nach daran stimmig ist: andere Ursachen, die möglicherweise Ihre Resultate erklären könnten; und Dinge, an die Sie gedacht und die Sie durch ein anderes Experiment ausgeschaltet haben, und wie diese Dinge funktionierten - damit andere sichergehen können, daß sie auch wirklich ausgeschlossen worden sind.
    Einzelheiten, die geeignet sein könnten, Ihre Deutung zweifelhaft erscheinen zu lassen, müssen preisgegeben werden, wenn Sie sie kennen. Falls Sie überhaupt wissen, daß irgend etwas nicht stimmt - oder möglicherweise nicht stimmt -, müssen Sie Ihr Bestes tun, um es zu erklären. Wenn Sie beispielsweise eine Theorie aufstellen und publik machen oder vorbringen, müssen Sie neben den Tatsachen, die mit ihr übereinstimmen, auch all jene darlegen, die nicht mir ihr übereinstimmen. Es gibt aber ein noch subtileres Problem. Wenn Sie eine Reihe von Ideen zusammengebracht haben, um eine ausgefeilte Theorie aufzustellen, sollten Sie, wenn Sie erklären, worauf sie paßt, sicherstellen, daß die Dinge, denen sie

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