Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
bei der Schaltung mit den Lampen, eine Reihe von Schaltern und Glühbirnen, die ich als Widerstände verwendete, um die Spannung zu kontrollieren. Aber das hatte alles nur mit Anwendung zu tun. Irgendwelche Laborexperimente habe ich nie gemacht.
Ich hatte auch ein Mikroskop, und ich schaute mir furchtbar gern etwas darunter an. Da mußte man Geduld haben: ich tat etwas unter das Mikroskop und betrachtete es endlos lange. Ich sah viele interessante Dinge, wie jeder sie sieht - eine Kieselalge, die sich langsam über den Objektträger bewegt, und so weiter.
Eines Tages betrachtete ich ein Pantoffeltierchen und sah etwas, das in den Büchern, die ich in der Schule - ja, selbst im College - bekam, nicht beschrieben wurde. Diese Bücher vereinfachen die Dinge immer, damit die Welt mehr so ist, wie sie sie haben wollen: Wenn darin von Tierverhalten die Rede ist, geht das immer so los: »Der Bau des Parameciums ist überaus einfach; es zeigt ein einfaches Verhalten. Es dreht sich, während sich seine pantoffelförmige Gestalt durch das Wasser bewegt. Wenn es auf ein Hindernis stößt, zuckt es zurück, macht eine Wendung und setzt dann seinen Weg fort.«
Das ist eigentlich nicht richtig. Vor allem findet bekanntlich bei den Pantoffeltierchen von Zeit zu Zeit eine Konjugation statt - sie treffen sich und tauschen Kerne aus. Wie entscheiden sie, wann es soweit ist, das zu tun? (Aber das ist nicht so wichtig; die Beobachtung stammt nicht von mir.)
Ich sah, wie diese Pantoffeltierchen auf etwas trafen, zurückzuckten, eine Wendung machten und sich dann weiterbewegten. Die Vorstellung, daß das etwas Mechanisches sei, wie ein Computerprogramm - danach sieht es nicht aus. Sie bewegen sich unterschiedlich weit fort, sie zucken unterschiedlich weit zurück, sie machen Wendungen, die sich in einigen Fällen unterscheiden; sie wenden sich auch nicht immer nach rechts; ihr Verhalten ist sehr unregelmäßig. Es sieht zufällig aus, denn man weiß nicht, worauf sie treffen; man weiß nicht, was sie alles für chemische Stoffe riechen oder was da sonst vorgeht.
Eine Sache, die ich mir anschauen wollte, war, was mit dem Pantoffeltierchen geschieht, wenn das Wasser, in dem es sich befindet, austrocknet. Es wurde behauptet, das Pantoffeltierchen könne zu einer Art hartem Keim zusammenschrumpfen. Ich hatte einen Tropfen Wasser auf dem Glasplättchen unter dem Mikroskop, und in dem Wassertropfen war ein Pantoffeltierchen und etwas Gras - im Maßstab des Pantoffeltierchens sah es aus wie ein Gitter aus Mikadostäben. Während der Wassertropfen verdunstete, was fünfzehn oder zwanzig Minuten dauerte, wurde die Lage für das Pantoffeltierchen immer schwieriger: es gab immer öfter dieses Hin und Her, bis es sich kaum mehr bewegen konnte. Es saß zwischen diesen »Stäben« fest, beinahe eingeklemmt.
Dann sah ich etwas, was ich vorher nie gesehen oder wovon ich nie gehört hatte: das Pantoffeltierchen änderte seine Gestalt. Es konnte sich zusammenziehen wie eine Amöbe. Es drückte sich gegen einen der Stäbe und begann sich in zwei Zacken zu teilen, bis es fast zur Hälfte geteilt war, und dann fand es, daß dis keine sehr gute Idee sei, und wich zurück.
Mein Eindruck ist deshalb, daß das Verhalten dieser Tiere in den Büchern viel zu sehr vereinfacht wird. Es ist gar nicht so mechanisch oder eindimensional, wie behauptet wird. Man sollte das Verhalten dieser einfachen Tiere korrekt beschreiben. Solange wir nicht sehen, wie viele Verhaltensdimensionen selbst ein einzelliges Tier hat, können wir auch das Verhalten von komplizierten Tieren nicht völlig verstehen.
Es machte mir auch Spaß, Insekten zu beobachten. Als ich ungefähr dreizehn war, hatte ich ein Insektenbuch. Darin stand, daß Libellen nicht gefährlich sind; sie stechen nicht. Bei uns in der Nachbarschaft hieß es dagegen, »Stopfnadeln«, wie wir sie nannten, seien sehr gefährlich, wenn man von ihnen gestochen werde. Wenn wir irgendwo draußen waren und Baseball oder irgend etwas anderes spielten und eines von diesen Dingern kam angeflogen, rannten wir deshalb alle weg, um in Deckung zu gehen, fuchtelten mit den Armen herum und brüllten: »Eine Stopfnadel! Eine Stopfnadel!«
Eines Tages war ich am Strand, und ich hatte gerade dieses Buch gelesen, in dem stand, daß Libellen nicht stechen. Da kam eine Stopfnadel vorbei, und alles schrie und rannte durcheinander, und ich blieb einfach sitzen. »Keine Sorge!« sagte ich. »Stopfnadeln stechen nicht!«
Das Ding landete
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