Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
diskutierten ihre »trivialen« Theoreme und versuchten einem immer etwas zu erklären, wenn man ihnen eine einfache Frage stellte.
Paul Olum und ich hatten ein gemeinsames Badezimmer. Wir wurden gute Freunde, und er versuchte mir Mathematik beizubringen. Er brachte mich bis hin zu Homotopiegruppen, und an dem Punkt gab ich auf. Aber was im Schwierigkeitsgrad darunter lag, verstand ich ziemlich gut.
Eine Sache, die ich nie gelernt habe, war die Integration von geschlossenen Kurven. Ich hatte gelernt, Integrale zu lösen und dabei verschiedene Methoden anzuwenden, die in einem Buch dargestellt waren, das mein Physiklehrer an der High School, Mr. Bader, mir gegeben hatte.
Eines Tages sagte er zu mir, ich solle nach der Stunde dableiben. »Feynman«, sagte er, »du redest zuviel und du machst zuviel Krach. Ich weiß warum. Du langweilst dich. Ich werde dir ein Buch geben. Wenn wir Unterricht haben, setzt du dich da hinten in die Ecke und studierst dieses Buch, und wenn du alles weißt, was in dem Buch steht, kannst du wieder reden.«
So paßte ich in den Physikstunden nicht auf, wenn es um das Pascalsche Gesetz ging oder um irgend etwas anderes, was sie gerade durchnahmen. Ich saß hinten mit diesem Buch: Höhere Analysis von Woods. Bader wußte, daß ich ein bißchen in Analysis für den Praktiker herumstudiert hatte, deshalb gab er mir etwas, woran ich wirklich zu knacken hatte - es war für einen Unter- oder Oberstufenkurs im College. Es behandelte Fouriersche Reihen, Besselsche Funktionen, Determinanten, elliptische Funktionen - alles mögliche wunderbare Zeug, von dem ich nicht das geringste wußte.
Dieses Buch brachte mir auch bei, wie man Parameter unter dem Integralzeichen differenziert - das ist eine bestimmte Operation. Es zeigt sich, daß das an den Universitäten nicht viel gelehrt wird, sie messen dem kein besonderes Gewicht bei. Aber ich kapierte, wie man diese Methode benutzt, und ich habe dieses Werkzeug immer wieder verwendet. Weil ich also durch dieses Buch Autodidakt war, hatte ich seltsame Methoden, Integrale zu lösen.
Das Resultat war folgendes: Wenn die Leute am MIT oder in Princeton Schwierigkeiten hatten, ein bestimmtes Inte gral zu lösen, dann lag das daran, daß es mit den Standardmethoden, die sie in der Schule gelernt hatten, nicht ging. Wenn es sich um die Integration von geschlossenen Kurven oder um die einfache Entwicklung einer Reihe gehandelt hätte, hätten sie es herausgefunden. Dann komme ich und versuche unter dem Integralzeichen zu differenzieren, und das klappte oft. Auf diese Weise kam ich in den Ruf, gut Integrale lösen zu können, und das nur, weü ich einen anderen Werkzeugkasten hatte als die anderen und weil sie alle ihre Werkzeuge an dem Problem ausprobiert hatten, bevor sie es mir vorlegten.
Gedankenleser
Mein Vater interessierte sich für Zauberei und Kunststücke auf Rummelplätzen und wollte immer wissen, wie sie funktionierten. Eines, worin er sich auskannte, war das Gedankenlesen. Als er noch ein kleiner Junge war und in einem Städtchen lebte, das Patchogue hieß und mitten auf Long Island lag, wurde eines Tages auf Plakaten, die überall angeschlagen waren, angekündigt, daß nächsten Mittwoch ein Gedankenleser kommen werde. Auf den Plakaten hieß es, einige geachtete Bürger - der Bürgermeister, ein Richter, ein Bankier - sollten eine Fünf-Dollar-Note nehmen und sie irgendwo verstecken, und wenn der Gedankenleser in die Stadt komme, werde er sie finden.
Als er kam, umringten ihn die Leute, um ihm bei seiner Arbeit zuzuschauen. Er nimmt den Bankier und den Richter, die die Fünf-Dollar-Note versteckt hatten, bei der Hand und geht los, die Straße hinunter. Er kommt an eine Kreuzung, biegt um die Ecke, geht eine andere Straße hinunter, dann noch eine, bis zu dem richtigen Haus. Er geht mit ihnen, sie immer an der Hand haltend, in das Haus, hinauf in den zweiten Stock, in das richtige Zimmer, hin zu einem Sekretär, läßt ihre Hände los, öffnet die richtige Schublade, und da liegt die Fünf-Dollar-Note. Ungemein dramatisch!
Damals war es schwierig, eine gute Ausbildung zu bekommen, deshalb wurde der Gedankenleser als Privatlehrer für meinen Vater angeheuert. Nun, nach einer seiner Unterrichtsstunden fragte mein Vater den Gedankenleser, wie er es fertiggebracht hätte, das Geld zu finden, ohne daß ihm jemand gesagt hatte, wo es war.
Der Gedankenleser erklärte, daß man die Leute bei der Hand hält, und zwar locker, und während man geht, wackelt
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