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Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Titel: Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard P. Feynman
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Stelle viele Ameisen herumwimmelten und den Zucker zu finden versuchten. Auf diese Weise kriegte ich erst einmal heraus, daß sie dahin liefen, wo sie gerade hergekommen waren.
    Bei einem anderen Experiment legte ich eine Menge gläserne Objektträger aus und brachte die Ameisen dazu, darauf hin und her zu laufen, zu dem Zucker hin, den ich auf die Fensterbank streute. Dadurch, daß ich die Glasplättchen austauschte oder anders anordnete, konnte ich dann demonstrieren, daß die Ameisen kein Gespür für Geometrie haben: sie konnten nicht ausmachen, wo sich etwas befand. Wenn sie auf dem einen Weg zu dem Zucker liefen und es einen kürzeren Weg zurück gab, fanden sie nie den kurzen Weg heraus.
    Durch die neue Anordnung der Glasplättchen wurde auch ziemlich klar, daß die Ameisen irgendeine Spur hinterließen. Daraus ergab sich dann eine Reihe einfacher Experimente, mit denen ich herausfinden wollte, wie lange es dauert, bis eine Spur trocknet, ob sie sich leicht verwischen läßt und so weiter. Ich entdeckte auch, daß die Spur nicht gerichtet war. Wenn ich eine Ameise auf ein Stück Papier hob, sie mehrmals herumdrehte und dann wieder auf die Spur setzte, wußte sie so lange nicht, daß sie in die falsche Richtung lief, bis sie auf eine andere Ameise traf. (Später, in Brasilien, beobachtete ich einige Blattschneiderameisen und machte mit ihnen das gleiche Experiment. Sie konnten innerhalb weniger Schritte erkennen, ob sie zur Nahrung hin oder von ihr weg liefen - vermutlich aufgrund der Spur, die aus einer Reihe von Gerüchen bestehen könnte, die in einem Muster angeordnet sind: A, B, Zwischenraum, A, B, Zwischenraum und so weiter.)
    Einmal versuchte ich, die Ameisen im Kreis laufen zu lassen, aber ich hatte nicht genug Geduld, um das zustande zu bringen. Außer fehlender Geduld sah ich keinen Grund, warum es nicht gelingen sollte.
    Was das Experimentieren schwierig machte, war, daß mein Atem die Ameisen weghuschen ließ. Es muß ein instinktiver Schutz vor irgendeinem Tier sein, das sie frißt oder belästigt. Ich weiß nicht, ob es die Wärme, die Feuchtigkeit oder der Geruch meines Atems war, was sie störte, aber ich mußte immer meinen Atem anhalten und irgendwie zur Seite schauen, um das Experiment nicht durcheinanderzubringen, während ich die Ameisen beförderte.
    Eine Frage, über die ich mir Gedanken machte, war, warum die Wege der Ameisen so gerade und ordentlich aussehen. Es sieht so aus, als wüßten die Ameisen, was sie tun, als hätten sie ein gutes Gespür für Geometrie. Trotzdem hatten die Experimente, die ich anstellte, um ihr Gespür für Geometrie zu demonstrieren, nicht funktioniert.
    Viele Jahre später, als ich am Caltech war und in einem Häuschen an der Alameda Street wohnte, kamen einmal Ameisen aus dem Abfluß der Badewanne. Ich dachte: »Das ist eine gute Gelegenheit.« Ich tat etwas Zucker an das andere Ende der Badewanne und saß den ganzen Nachmittag da, bis endlich eine Ameise den Zucker fand. Es ist nur eine Frage der Geduld.
    Als die Ameise den Zucker fand, nahm ich einen Farbstift, den ich mir bereitgelegt hatte (ich hatte schon vorher Experimente gemacht, die darauf hindeuteten, daß sich die Ameisen überhaupt nicht um Bleistiftstriche kümmern - sie marschieren einfach darüber hinweg -, ich wußte also, daß ich nichts störte), und zog hinter der Ameise eine Linie, so daß ich wußte, wo ihre Spur war. Die Ameise wanderte ein bißchen umher, um zu dem Loch zurückzukommen, deshalb war die Linie ziemlich wackelig, ganz anders als ein typischer Ameisenweg.
    Als die nächste Ameise, die den Zucker gefunden hatte, zurücklief, markierte ich ihre Spur mit einer anderen Farbe. (Übrigens folgte sie der Spur des Rückwegs der ersten Ameise und nicht der Spur ihres eigenen Hinwegs. Meine Theorie ist, daß eine Ameise, wenn sie Nahrung gefunden hat, eine deutlichere Spur hinterläßt, als wenn sie bloß umherwandert.)
    Diese zweite Ameise hatte es sehr eilig und folgte so ziemlich der ursprünglichen Spur. Aber weil sie so schnell lief, bewegte sie sich geradeaus, als ob sie schlitterte, wenn die Spur einen Bogen machte. Oft fand die Ameise, wenn sie »schlitterte«, die Spur wieder. Es zeigte sich bereits, daß der Rückweg der zweiten Ameise etwas gerader war. Bei den folgenden Ameisen kam es zu der gleichen »Verbesserung« der Spur, indem sie dieser eilig und unachtsam »folgten«.
    Ich folgte acht oder zehn Ameisen mit meinem Stift, bis ihre Spuren zu einer sauberen Linie

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