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Sie haben mich verkauft

Sie haben mich verkauft

Titel: Sie haben mich verkauft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Kalemi
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das Gesicht meines Vaters vor Wut verzerrte. Den Blick kannte ich nur zu gut.
    »Bitte, Papa, bleib ruhig«, bat ich. »Wir müssen Sergej einfach nur finden, dann wird er schon alles erklären.«
    »Das hoffe ich«, sagte mein Vater leise, und wir gingen wieder nach Hause.
     
    Als Sergej in unsere Wohnung kam, nahm ich ihn mit ins Schlafzimmer, während Papa draußen wartete. Ich erzählte ihm, was passiert war.
    Sofort sah er ein, dass Leugnen zwecklos war, also erklärte er trotzig: »Ich habe die Stelle nicht angetreten, weil ich kein Zeugnis hatte.«
    »Aber wieso denn nicht?«, rief ich.
    »Weil ich noch nie vorher irgendwo gearbeitet habe.«
    »Was?«
    »Ich wollte nicht, dass du das erfährst, also habe ich gelogen. Es tut mir leid. Ich bin vorbestraft, weil ich etwas gestohlenhatte, als ich jung war, deshalb habe ich keine Arbeit bekommen.« Er zuckte mit den Schultern.
    »Aber wo hast du denn das Geld her, das du mir all die Monate gegeben hast?«
    »Ich habe ein Abkommen mit einer Familie, die das Haus meiner Eltern von mir gemietet hat. Es steht seit dem Tod meiner Eltern leer, und diese Leute zahlen jeden Monat bar.«
    Es stimmte, dass Sergej ein Haus hatte, das wusste ich, aber ich hatte nicht da wohnen wollen. Es lag in einem anderen Stadtteil, der im Grunde wie ein Dorf war; es gab weder fließendes Wasser noch Strom. Bei Papa gefiel es mir viel besser. Aber jetzt starrte ich Sergej an. »Wieso tust du das? Wieso tischst du mir lauter Lügen auf? Wenn da einer Miete zahlen würde, hättest du mir jeden Monat mehr Geld nach Hause gebracht.«
    »Glaub mir, Oxana«, bat Sergej. »Ich habe dir immer alles gegeben, was ich hatte.«
    Ich wusste, dass er log. Was war denn mit all den Nächten, in denen er spät betrunken nach Hause gekommen war? Er hatte das meiste Geld für Alkohol und für seine Freunde ausgegeben statt für seine Frau und sein Baby.
    Ein schlechtes Gewissen empfand Sergej nicht, nur kalten Trotz. War mein ganzes Leben auf Lügen aufgebaut? Wieso wollte mein Mann nicht arbeiten und uns unterstützen? Ich hoffte, dass er sich jetzt, nachdem ich die Wahrheit kannte, ändern und Verantwortung für uns übernehmen würde. Ich musste ihm eine gute Frau sein – meinem Mann noch eine Chance geben und ihm zeigen, dass ich ihn immer noch liebte. Aber schon bald sollte sich herausstellen, dass die Dinge nicht so einfach lagen.
    »Also?«, fragte Papa, als ich schließlich zu ihm herauskam. »Was hat er für eine Ausrede? Ich hoffe für dich, es ist eine gute.«
    Als ich ihm erzählte, was Sergej gesagt hatte, wurde er wütend. »Wie kann ein Mann so leben? Wie kann er mir auf der Tasche liegen und sich nicht um seine eigene Frau und sein Kind kümmern? Das ist doch nicht zu glauben!«
    »Bitte tu ihm nichts«, bat ich. Mir war klar, dass Papa drauf und dran war, Sergej zu verprügeln.
    »Na gut – dir zuliebe«, antwortete er. »Aber es ist ganz einfach, Oxana. Sergej muss gehen.«
    »Nein, nein! Bitte trenn uns nicht! Gib ihm noch eine Chance.«
    »Nein. Ich habe die Nase voll von ihm. Ich will ihn hier weghaben, sofort.«
    Mir wurde ganz schlecht, als ich ihn das sagen hörte. Was sollten wir bloß tun? Ich gehörte zu meinem Mann, ganz egal, was für Schwierigkeiten wir hatten. Meine Angst verwandelte sich in Wut und Hysterie, und ich fing an zu schreien, bis mein Vater mich schlug. In seinen Augen lagen Traurigkeit und Verärgerung im Widerstreit, aber ich spürte nichts als blanke Wut. Wieder einmal hatte er gezeigt, wie er wirklich war.
    »Jetzt reicht es!«, schrie ich. »Ich gehe, und du siehst mich nie wieder.«
    »Aber du kannst doch Sascha nicht mitnehmen. Du kannst doch nicht so einfach gehen.«
    »Doch, kann ich wohl. Sergej ist mein Mann, der Vater meines Kindes.«
    Diesmal verlor ich die Beherrschung und benahm mich wie die Sechzehnjährige, die ich schließlich auch war. Papa schwieg, während ich unsere Taschen packte, ins Wohnzimmer ging und ihm meine Schlüssel hinwarf.
    »Ich hoffe, du bist jetzt glücklich!«, rief ich, als ich die Tür hinter uns zuschlug.

KAPITEL 4
    D er Schnee knirschte unter den Rädern des Kinderwagens, als ich Sascha durch die Straßen schob. Es war Januar 1994, und ich war im achten Monat schwanger mit unserem zweiten Kind. An diesem Abend wollte ich Mama besuchen. So vieles ging mir durch den Kopf; es war eine Menge passiert, seit ich Papa vor achtzehn Monaten verlassen hatte, und nichts davon war auch nur halbwegs gut.
    Sergej und ich waren an den

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