Sie haben mich verkauft
heißem Wasser einzuweichen und das Wasser dann zu trinken, und zu einer anderen, die mir ein paar Tabletten gab, die ihrer Meinung nach einen Schwangerschaftsabbruch herbeiführen würden. Es half alles nicht.
Die Monate vergingen, und allmählich begriff ich, dass mein Kind dazu bestimmt war, auf die Welt zu kommen. Gottwollte, dass ich noch ein Baby bekam, und ich musste lernen, es zu lieben. Aber tief in mir hatte ich Angst davor, wie mein Kind bei der Geburt wohl sein mochte. Ich hatte eine schreckliche Sünde begangen mit dem Versuch, mein eigenes Kind zu töten, und war mir sicher, es würde krank zur Welt kommen und voller Wut, genau wie ich. Die Schuld, die ich damals spürte, war immer noch da, auch jetzt noch, als ich auf dem Weg zu meiner Mutter war – nur Tage vor der Ankunft des Kindes.
Ich ging durch die winterliche Kälte und atmete tief die eisige Luft ein, als ich in die Straße abbog, in der Mama wohnte. Ein paar Tage zuvor hatte Sergej mich in meinen geschwollenen Bauch getreten und mich dann mitten in unserem Streit im Schnee ausgesperrt. Er hatte mich irgendwann wieder reingelassen, aber ich hatte auf einem Stuhl die Nacht verbringen müssen, weil er gesagt hatte, ich sei zu fett, um mit ihm im Bett zu schlafen. Ich hatte das Gefühl, dass er mich nur noch geschlagen hatte, seit dieses Baby in mir zu leben begonnen hatte. Heute Abend brauchte ich etwas zu essen – Brot vielleicht oder Eier –, und ich hoffte, Mama hätte etwas übrig. Ich war gerade achtzehn geworden, vielleicht wäre sie mir gegenüber milde gestimmt. Das Baby brauchte etwas, und Sascha auch.
Ich hielt den Kopf gesenkt, als mir der eisige Wind ins Gesicht blies. Es war nicht mehr weit, bald würde ich drinnen sein. Ich hoffte bloß, Sascha würde weiterschlafen und Mama nicht mit seinem Geschrei aufregen.
Als ich ankam, waren meine Mutter und ihre Freunde betrunken, wie immer.
»Was willst du denn jetzt?«, brüllte sie, eine Zigarette im Mundwinkel. »Guck dich bloß an! Du siehst ja aus wie ein Schwein.«
»Ich will nur was zu essen ...«, sagte ich. Sie grunzte, und ich folgte ihr in die warme Küche, wo sie einen Laib Brot und etwas Käse auf den Tisch stellte. Ich aß dankbar.
»Wieso kann dieser Faulpelz von einem Ehemann denn nicht für dich sorgen? Ich wusste gleich, dass mit dem nichts los ist. Wie konntest du nur zulassen, dass er dich wieder schwängert? Der kann sich ja nicht mal um ein Kind kümmern, geschweige denn um zwei.«
»Er schlägt mich, wenn ich ihn nicht lasse«, flüsterte ich.
Sie schnaubte verächtlich. »Erwarte nur nicht von mir, dass ich dir aus der Patsche helfe, mehr verlange ich ja gar nicht. Ich habe selber Probleme. Ich kann es mir nicht leisten, dich und deine Bälger durchzufüttern, es hat also gar keinen Zweck, dass du überhaupt herkommst.«
Da schmeckte das Essen in meinem Mund auf einmal wie Asche. Weigerte sich meine eigene Mutter wirklich, mir zu helfen? Sie wusste doch, wie wir lebten und was es für das Baby und mich bedeutete. Nach einer Weile ging Mama wieder zu ihren Freunden, und sie schütteten weiter ihren Wodka in sich hinein; und nachdem ich Sascha etwas zu essen gegeben hatte, trat ich in die kalte Dunkelheit hinaus und ging zurück in die eisige Sommerküche.
Ich war fast froh, als ich am nächsten Tag Blut in der Toilette sah – das Baby war wohl gestorben, ich hatte eine Fehlgeburt. Vielleicht war es ja das Beste. Was für ein Leben könnte ich diesem Kind schließlich bieten? Ich zwang mich zu warten, bis die Schmerzen im Lauf der Nacht und des darauffolgenden Tages schlimmer wurden, aber schließlich war es so arg, dass ich ins Krankenhaus musste.
»Dem Baby geht es gut«, sagte mir ein Arzt, aber ich fühlte nichts.
Drei Tage später kam mein zweiter Sohn zur Welt.
KAPITEL 5
P awel, genannt Pascha, war klein, sein dichtes schwarzes Haar war wie eine Kappe, und er hatte riesige blaue Augen, die so dunkel waren, dass sie beinahe schwarz aussahen. Ich musste an meinen Vater denken, wenn ich ihn ansah.
»Er braucht viel Zuwendung«, sagte der Arzt, als er ihn mir reichte. »Er hat eine leichte Gelbsucht, aber das dürfte nicht so schlimm sein.«
Ich schwieg, als ich zum ersten Mal das Gewicht meines Sohnes in den Armen spürte. Pascha regte sich auf meinem Arm, und ich starrte auf ihn herunter, als sich seine Augen zitternd öffneten. Tränen rannen mir über die Wangen. Irgendwie musste ich meine Liebe zu ihm finden, die Sünde vergessen, die ich
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