Sie kam, sah und liebte
Freund war eins sechsundsechzig groß gewesen und litt an der Mutter aller Napoleonkomplexe, was ihrem eigenen Napoleonkomplex ziemlich in die Quere gekommen war. Das Allerletzte, was sie sich wünschte, war ein zu kurz geratener Typ, der mit ihr ausgehen wollte. Insbesondere ein zu kurz geratener Typ, der der Geschäftsführung der Chinooks angehörte. »Das halte ich für keine gute Idee.«
»Warum?«
»Weil ich nicht will, dass die Spieler denken, Sie und ich hätten was miteinander.«
»Ich gehe ständig mit Reportern essen. Auch mit Chris Evans.«
Das war nicht das Gleiche. Sie durfte nicht zulassen, dass über sie geklatscht wurde. Musste noch professioneller arbeiten als Männer. Obwohl Frauen inzwischen seit drei Jahren Zutritt zum Umkleideraum gewährt wurde, war die Unterstellung, dass Frauen mit ihren Quellen schliefen, immer noch ein Problem. Jane glaubte zwar nicht, dass ihre Glaubwürdigkeit oder die Akzeptanz ihrer Person bei den Spielern noch tiefer sinken konnte, aber sie wollte keinesfalls die Probe aufs Exempel machen.
»Ich dachte nur, Sie wären es vielleicht leid, ständig allein essen zu müssen«, fügte Darby hinzu.
Sie war es tatsächlich leid, allein zu essen. Sie war es leid, die Wände eines Hotelzimmers anzustarren oder das Innere des Mannschaftsflugzeugs. Vielleicht wäre ein sehr gut besuchtes Lokal nicht so schlimm. »Rein geschäftlich?«
»Unbedingt.«
»Können wir uns dann nicht im Hotelrestaurant treffen?«, schlug sie vor.
»Um sieben?«
»Um sieben, einverstanden.« Sie zog den Zeitplan aus ihrem Aktenkoffer. »Wo sind wir heute Nacht untergebracht?«
»Im LAX Doubletree«, antwortete Darby. »Das Hotel wird jedes Mal, wenn einer dieser Airbusse startet, in seinen Grundfesten erschüttert.«
»Wunderbar.«
»Willkommen im Glamourleben eines Sportlers«, sagte er und legte den Kopf an die Rückenlehne.
Jane war inzwischen schon klar geworden, dass ein Vier-Spiele-Marathon genau das war: ein Marathon. Obwohl sie den Zeitplan schon ein Dutzend Mal studiert hatte, überflog sie ihn noch einmal. L. A., dann San Jose. Sie hatten kaum die Hälfte des Programms bewältigt, und schon wollte sie nach Hause. Sie wollte wieder in ihrem eigenen Bett schlafen, ihren eigenen Wagen chauffieren, statt Bus zu fahren, und ihren eigenen Kühlschrank öffnen anstelle der Minibar in irgendeinem Hotel. Die Chinooks hatten noch vier Reisetage vor sich, bevor sie nach Seattle zurückfuhren, wo vier Spiele innerhalb von acht Tagen auf sie warteten. Anschließend ging es weiter nach Denver und Minnesota. Wieder Hotels und einsame Mahlzeiten für Jane.
Vielleicht war es gar nicht so eine schlechte Idee, mit Darby essen zu gehen. Es könnte recht aufschlussreich sein und die Monotonie durchbrechen.
Um sieben Uhr trat Jane aus dem Aufzug und begab sich zum Hotelrestaurant. Ihr Haar fiel in weichen Locken auf ihre Schultern. Sie trug eine schwarze Hose aus reiner Schurwolle und einen grauen Pullover. Der Pullover war seitlich am Hals offen und hatte ausgestellte Ärmel, und bevor Luc behauptet hatte, sie sähe aus wie der Erzengel der Verdammnis, hatte sie ihn sehr geliebt.
Jetzt allerdings fragte sie sich, ob es verborgene Gründe für ihre Angst vor nicht harmonierenden Farben gab, die sie auf dunkle Farben zurückgreifen ließ. War sie depressiv, ohne es zu wissen, wie Caroline angedeutet hatte? Litt sie an einer bisher nicht diagnostizierten geistigen Verirrung? War sie wirklich der Erzengel der Verdammnis, oder irrte Caroline sich, und Luc war nur ein arrogantes A…loch? Die letzte Vorstellung war ihr lieber.
Darby erwartete sie am Eingang des Restaurants. In seinen Khakihosen und dem orangefarben bedruckten Hawaiihemd, mit frisch gegeltem Haar wirkte er sehr jung. Man wies ihnen einen Tisch in Fensternähe zu, und Jane bestellte einen Martini, um die Müdigkeit zu vertreiben, und sei es nur für ein paar Stunden. Darby bestellte ein Becks-Bier und wurde nach seinem Ausweis gefragt.
»Wie bitte? Ich bin achtundzwanzig«, beschwerte er sich.
Jane lachte und schlug die Speisekarte auf. »Man wird Sie für meinen Sohn halten«, zog sie ihn auf.
Er zog die Mundwinkel herab und zückte seine Brieftasche. »Sie sehen doch viel jünger aus als ich«, murrte er und zeigte dem Ober seinen Ausweis.
Als die Getränke gebracht wurden, bestellte Jane Lachs mit Wildreis. Darby entschied sich für Roastbeef mit gebackener Kartoffel.
»Sind Sie mit Ihrem Zimmer zufrieden?«, erkundigte er
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