Sie kam, sah und liebte
Rücken, und kühle Luft streifte sie, wo vorher seine warme Berührung gewesen war. Er hakte sie unter, und während sie die Tanzfläche verließen, reichte er ihr Carolines Handtäschchen. »Gib mir deine Garderobenmarke. Ich muss Maries Mantel holen und nehme deinen gleich mit.«
Jane kramte in der Tasche und fand den kleinen Papierabschnitt. Während Luc die Mäntel holte, unterhielt sie sich mit Marie, doch ihre Gedanken weilten bei Luc, das konnte sie nicht leugnen. Sie hatte Lust auf ihn. Sehr sogar. Sie hätte gern gewusst, ob er es gemerkt hatte. Sie hoffte inständig, dass es nicht so war. Sie hoffte, dass er es nie erfuhr. Sie konnte weiß Gott sehr gut weiterleben, ohne dass je eine Menschenseele davon erfuhr, wie scharf Jane Alcott auf den schlimmen Finger und Hockeyspieler Luc Martineau war. Falls er einen Verdacht in dieser Richtung hatte, würde er zweifellos unverzüglich das Weite suchen.
Als Luc zurückkam, half er ihr in ihren schwarzen Regenmantel. Seine Finger streiften ihren Nacken, als er ihren Kragen richtete, und sie fragte sich, wie es wohl wäre, wenn er den Arm um sie legte und sie sich gegen ihn lehnte. Doch selbst, wenn sie den Mut gehabt hätte, ihrem Impuls nachzugeben, war es zu spät; er trat zur Seite und hielt seiner Schwester den Mantel hin, damit sie hineinschlüpfen konnte.
Während sie im Erdgeschoss der Space Needle darauf warteten, dass der Hausdiener Lucs weißen Landcruiser vorfuhr, schloss Luc die vier Knöpfe seines Jacketts, schob die Hände in die Taschen und zog in Abwehr gegen die Kälte die breiten Schultern hoch. Sie redeten übers Wetter und über den frühen Abflug am nächsten Morgen. Über nichts Wichtiges. Marie berichtete vom Ausblick auf dem Panoramadeck, und Jane warf immer wieder Blicke auf Lucs dunkles Profil. Licht von der Needle her beleuchtete eine Seite seines Gesichts und seiner breiten Schultern und warf einen langen Schatten übers Pflaster.
Als der Hausdiener kam, öffnete Luc die Beifahrertür für Jane und die Fondtür für seine Schwester. Er stieg auf der Fahrerseite ein, und sie fuhren in Richtung Bellevue. Nachdem sie ein paar Häuserblocks hinter sich gelassen hatten, brach Luc das Schweigen.
»Mrs. Jackson weiß Bescheid. Sie wird zu Hause sein, wenn du aus der Schule kommst«, sagte er zu seiner Schwester. »Brauchst du Geld für irgendwas?«
Jane beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Sein Profil war im dunklen Wageninneren nur ein schwarzer Umriss. Goldenes Licht vom Cockpit her brach sich auf seiner Armbanduhr und streute goldene Funken auf sein Jackett. Jane wandte sich ab und blickte aus dem Fenster.
»Ich brauche Geld fürs Schulessen, und den Keramikkurs habe ich auch noch nicht bezahlt.«
»Wie viel brauchst du?«
Jane lauschte der Unterhaltung und fühlte sich wie ein Eindringling, wie sie da in den Lederpolstern seines Wagens saß und er mit seiner Schwester Fragen des alltäglichen Lebens besprach. Das war ein Leben, an dem sie nicht teilhatte. Es war sein Leben, nicht ihres. Sie hatte ihr eigenes Leben. Das Leben, das sie sich ausgesucht hatte; in seinem Leben hatte sie nichts zu suchen.
Als der Wagen vor ihrer Wohnung am Straßenrand hielt, tastete Jane nach dem Türgriff. »Herzlichen Dank fürs Mitnehmen«, sagte sie.
Luc griff nach ihrem Arm und umfasste ihn durch den dünnen Regenmantel. »Bleib sitzen.« Er warf einen Blick auf den Rücksitz. »Bin gleich wieder da, Marie«, sagte er und stieg aus.
Er geriet flüchtig ins Licht der Scheinwerfer, als er um das Auto herumging und die Beifahrertür öffnete. Er war ihr beim Aussteigen behilflich und begleitete sie auf dem kurzen Weg zur Haustür. Unter dem Eingangslicht öffnete Jane das winzige Handtäschchen und entnahm ihm die Schlüssel, aber genauso wie in der Nacht in San Jose, als er sie zu ihrer Zimmertür geleitet hatte, nahm Luc ihr den Schlüssel aus der Hand und schob ihn ins Schloss.
Sie hatte die Bodenbeleuchtung angelassen, und die Lämpchen strahlten den Teppich an und erhellten die Haustür. »Nochmals vielen Dank«, sagte sie und trat in ihre Wohnung. Sie streckte die Hand nach ihren Schlüsseln aus, und er packte ihr Handgelenk und legte die Schüssel in ihre offene Hand. Doch statt sie loszulassen, strich er mit dem Daumen über ihren Puls.
»Das ist keine gute Idee«, sagte er.
»Was? Dass du mich nach Hause bringst?«
»Nein.« Er zog sie an sich und senkte den Kopf, sodass sich sein Gesicht auf gleicher Höhe mit ihrem befand. »Du
Weitere Kostenlose Bücher