Sie kam, sah und liebte
sich desinteressiert zu geben. »Hast du einen Moment Zeit?«
»Klar.« Sie trat zur Seite und ließ ihn eintreten. »Worum geht’s?«
Mit langen Schritten ging er mitten ins Zimmer und drehte sich zu ihr um. »Als ich dich heute Morgen gesehen habe, wirktest du so befangen. Ich will nicht, dass du in meiner Gegenwart befangen bist, Jane.« Er holte lange und tief Luft und schob die Hände in die Taschen seiner Jacke. »Deshalb glaube ich, ich sollte mich entschuldigen.«
»Entschuldigen? Wofür …?« Aber sie wusste es und wünschte sich, er würde es nicht aussprechen.
»Dafür, dass ich dich gestern Abend geküsst habe. Ich weiß immer noch nicht so richtig, wie das passieren konnte.« Er blickte über ihren Kopf hinweg, als wäre die Antwort an der Wand gegenüber zu lesen. »Wenn du nicht diese neue Frisur gehabt und so gut ausgesehen hättest, ich glaube, dann wäre es nicht passiert.«
»Moment.« Wie ein Verkehrspolizist hob sie eine Hand. »Gibst du meiner Frisur die Schuld?«, fragte sie, nur um sich zu vergewissern, dass sie richtig gehört hatte. Und sie hoffte, dass es nicht so war.
»Es hatte wohl eher noch mit diesem Kleid zu tun. Dieses Kleid ist mit Hintergedanken entworfen worden.«
Er hatte sie geküsst, und sie hatte sich so sehr verliebt, dass sie nicht mal mehr sicher war, ob es wirklich nur Verliebtsein war. Und jetzt stand er da, gab ihrem Haar und ihrem Kleid die Schuld, als hätte sie ihn mit Absicht hereingelegt. Als ob er sie nicht geküsst hätte, wenn er nicht hereingelegt worden wäre. Zu wissen, wie er über diesen Kuss dachte, schmerzte. Er war ein Mistkerl, daran bestand kein Zweifel, aber sie war ein Dummkopf. Das Letztere war am schwersten hinzunehmen.
Schmerz und Zorn pressten ihr das Herz zusammen, doch sie war fest entschlossen, nicht zu zeigen, was sie fühlte. »Es war ein ganz gewöhnliches rotes Kleid.«
»Es hatte kein Rückenteil und vorn nur zwei Stoffstreifen. « Luc wiegte sich von den Zehenspitzen auf die Fersen und ließ erneut den Blick von Janes um den Kopf gewickeltem Handtuch an ihrem Bademantel hinunter bis zu ihren bloßen Zehen wandern. Seit dem Vorabend dachte er über den Kuss in ihrer Wohnung nach, und er war nicht sicher, was ihn dazu getrieben hatte. Das Kleid. Ihre Lippen. Neugier. Alles zusammen. »Und diese kleine Goldkette, die auf deinem Rücken hing, war auch nur aus einem Grunde da.«
»Aus welchem? Um dich zu hypnotisieren?«
Sie verlegte sich aufs Spotten, aber sie kam doch der Wahrheit sehr nahe. »Vielleicht nicht gerade, um mich zu hypnotisieren, aber diese Kette war nur da, damit jeder Mann, der sie sah, sich vorstellte, sie dir abzunehmen.«
Sie zog eine Braue hoch und sah ihn an, als wäre er ein Idiot. Irgendwie fühlte er sich auch wie ein Idiot. »Ich sage nur, wie es ist. Gestern Abend haben alle Jungs nur gedacht, wie es wäre, dir dein Kleid auszuziehen.« Keiner der Jungs hatte Luc gegenüber etwas dergleichen geäußert, aber er dachte, dass, wenn er selbst schon diese Vorstellung hatte, alle anderen genauso empfinden mussten.
»Soll das nun eine Entschuldigung sein, oder willst du dir auf diese Weise erklären, was passiert ist?« Sie riss sich das Handtuch vom Kopf und warf es aufs Bett.
»Es ist nun mal so.«
Sie fuhr sich mit gespreizten Fingern durchs Haar. »Da redest du dir was ein.«
Wenn sie ein Mann wäre, würde sie seine Logik verstehen.
»Und es ist dumm.« Ihre nassen Locken legten sich um ihre Finger, als sie sich das Haar aus dem Gesicht schob. »Auf diese Weise wird mir die Schuld zugeschoben, und ich bin gestern Abend nicht in deine Wohnung gekommen, und ich habe dich nicht geküsst. Du hast mich geküsst.«
»Du hast dich nicht gewehrt.« Er wusste nicht, was ihn mehr schockiert hatte. Dass er sie geküsst hatte oder dass sie den Kuss erwidert hatte. Er hatte nie im Leben damit gerechnet, dass in einer so kleinen Gestalt so viel Leidenschaft stecken konnte.
Sie stieß einen langen Seufzer aus, und es klang, als wäre sie gelangweilt. »Ich wollte dich nicht kränken.«
Er lachte, obwohl er viel lieber zu ihr gestürzt wäre, um sie zu küssen. Um seine Hand in ihren Bademantel zu schieben und ihre Brust zu umfassen, obwohl er wusste, dass das eine verdammt schlechte Idee gewesen wäre. Luc lehnte sich mit der Hüfte gegen den Schreibtisch, löste den Blick von ihrem Mund und dachte daran, wie ihr Mund am Abend zuvor geschmeckt hatte. Er richtete den Blick auf einen unverfänglichen Punkt, auf
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