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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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»Erfreuen die Schiffe der Gottlosen etwa Euer Auge?«
    »So ist es«, nickte Kallinikos wieder. »Ihr Anblick gefällt mir sogar sehr.«
    »Und was, im Namen der Dreifaltigkeit, gefällt Euch daran?«
    Über ihnen krächzte ein Möwenschwarm, so dass der Priester die seltsame Erwiderung kaum verstand. »Was habt Ihr gesagt?«
    »Sie sehen so brennbar aus …«, murmelte der Syrer, drehte sich um und verschwand in der Menge.
    Patricius schüttelte den Kopf, dann hob er den Blick und verfolgte die weißgrauen Möwen, die über den Himmel segelten. Ihr Anblick erinnerte ihn an einen Tag, der lange zurücklag. Einen Tag in seiner Kindheit, als er noch ein sechsjähriger Junge namens Padraich gewesen war.
    Der Tag, an dem all das begonnen hatte, das sich heute vollenden würde.

Teil 1: Padraich
    Kapitel 1
    Die Insel der Gottesmänner
(638-649 n. Chr.)
    »Viele hatten sich aufgemacht und ihr Heimatland verlassen um entweder zu lernen oder ein rein asketisches Leben zu führen. Und viele von ihnen verschrieben sich tatsächlich bald überzeugt dem Klosterleben, andere widmeten sich lieber dem Lernen und gingen von einer Meisterzelle in die andere. Die Iren nahmen sie alle bereitwillig auf und bemühten sich, sie Tag für Tag zu unterstützen mit Nahrung, ohne Bezahlung, mit Büchern für ihre Studien und unentgeltlichem Unterricht.«
    Kirchenschriftsteller Gildas im 6. Jh. über die Iren
    Mit jedem Schritt wuchs die Mauer vor ihm höher in den Himmel. Sie war aus grauen Hausteinen aufgeschichtet und mit rotgelben Flechten besprenkelt. Auf der Oberkante zitterten Grashalme im Wind, überragt von spitzen Dächern. Auch diese waren düster und schmucklos – wie alles hier. Große, weiße Basstölpel segelten im Wind, der dunkle Wolken über den Himmel scheuchte. Weit entfernt brach ein schräger Sonnenstrahl durch die Wolkendecke, ließ grüne Hügel aufleuchten und erlosch wieder. Krächzend erhob sich ein Rabe, der am Wegrand entlangstolziert war, und flog mit klatschenden Flügeln davon.
    »Mutter, bitte …« Die Stimme des Jungen zitterte. Unmerklich wurden seine Schritte langsamer.
    »Du weißt, dass es sein muss.« Die schwieligen Finger umklammerten die seinen fester. »Und du willst es doch auch. Denk an sein Seelenheil …«
    Die große Hand zog ihn energisch voran, so dass er der Frau hinterherstolperte. Wieder musste er an diesen Schrei denken. Diesen letzten, verhallenden Schrei. Ohne ihn, Padraich, wäre es nie geschehen. Seine Mutter hatte Recht! Er musste tun, was er konnte, um wenigstens einen winzigen Teil seiner Schuld abzutragen. Denn für alles würde selbst ein ganzes Leben nicht reichen …
    Während er einen Fuß vor den anderen setzte und die letzten Schritte zurücklegte, die ihn aus seiner bisherigen Welt reißen sollten, tränten seine Augen leicht. Ob wegen des Windes oder aus Trauer hätte er nicht sagen können. Aber er schämte sich dafür, und der Grund tat auch nichts zur Sache. Seine Familie war arm, so bitterarm, dass sie im letzten Winter fast verhungert waren. Schon Monate bevor … es geschehen war.
    Seine Mutter hatte Recht, wie immer. Er musste dankbar sein, dass ihn die frommen Männer aufnahmen, ihn, den Sohn eines armen Torfstechers. An seine beiden jüngeren Schwestern gekauert, hatte er die Ohren gespitzt, als seine Mutter mit dem Mann in der schwarzen Kutte gesprochen hatte. Der große Fremde, der sich bücken musste, um ihre aus gestapelten Grassoden erbaute Hütte zu betreten, hatte der verhärmten Frau geduldig zugehört, ein paar leise Fragen gestellt und gehustet, wenn der Qualm des Torffeuers in seine Richtung zog. Nach einiger Zeit hatte er genickt, wenige Sätze gesagt und die Dankesbezeugungen der Witwe mit erhobenen Händen abgewehrt. Einiges hatte Padraich verstanden, den Rest hatte ihm seine Mutter erklärt: Dass nun sein ärmliches, aber freies Leben zu Ende sein würde, weil er bald zu den Mönchen in das Kloster kommen sollte.
    Mit seinen sechs Jahren war er zwar noch zu jung, um Novize zu werden, doch alt genug, um zusammen mit zwei Dutzend anderer Kinder in die Klosterschule zu gehen. Die nächsten Jahre würde er am Rande dieses Klosters leben, Unterricht erhalten und den Knechten bei der Feldarbeit zur Hand gehen. Bis zum Tag seines fünfzehnten Geburtstages, an dem auch er die Worte sprechen durfte, die seinen Bund mit Gott begründen und ihn für immer von der Welt trennen würden.
    Der Junge hielt die linke Hand seiner Mutter fest umklammert, als sie

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