Sie kamen bis Konstantinopel
Kilian aufgeregt.
Der alte Mönch nickte, lächelte versonnen, dann schwieg er eine Weile, bevor er zu erzählen begann. Die nächste Zeit war nur die brüchige Stimme zu hören, dazu das Kratzen der Griffel auf den Wachstafeln, gelegentlich unterbrochen von Rückfragen der Novizen. Grellan berichtete, wie Brendan einst einen Mann namens Barinthus getroffen hatte, der ihm von dem Land der ewigen Jugend erzählte, zu dem er selbst nach einer weiten Fahrt über den Ozean gelangt sei. »Dort gab es keine Pflanze ohne Blüte, keinen Baum ohne Frucht und niemals wurde es Nacht.« Grellan verstummte und schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein. Padraich ging zu ihm, reichte ihm still einen Becher mit Wasser und wartete ruhig, bis ihn Grellan ausgeschlürft hatte, während Kilian ungeduldig auf der Bank hin und her rutschte. Endlich fuhr der Greis fort und berichtete, wie diese Erzählung Brendan nicht mehr losgelassen hatte, so dass der junge Mönch begann, gemeinsam mit anderen Brüdern ein Curragh zu bauen. Ein Boot mit Weidenästen als Spanten, bezogen mit Ochsenhäuten, die man durch Gerben in Eichenrindesud haltbar gemacht und danach mit Fett eingerieben hatte.
»Dann segelte Brendan mit einer Schar von Mönchen los, und sie waren viele, viele Jahre unterwegs …« Der Greis verstummte abermals.
»Und, wie ging es aus?«, drängte Kilian, »gelangten sie ans Ziel?«
»Ja, mein Junge. Gott der Herr geleitete sie. Aber jetzt bin ich müde.« Grellans Kopf sank nach vorne und sein Atem ging schwer. »Kommt morgen wieder. Dann will ich euch von der Fahrt des heiligen Mannes erzählen.«
Die Novizen packten ihre Schreibtafeln, schoben die Bank an ihren ursprünglichen Platz und traten hinaus. Die Sonne war hinter Wolken verschwunden, ein kalter Wind fegte über das Kloster und verwirbelte den Rauch, der aus dem Kamin des Küchenhauses quoll. Als sie zum Brunnen kamen, blieb Kilian stehen. Nachdenklich sah der schlanke Junge mit den dunklen Locken seinen Mitbruder an.
»Du hast bei seinem Anblick nach meinem Arm gegriffen. Warum?«
Padraich legte seine Tafeln auf das grob geschichtete Brunnenmauerwerk und starrte den Eimer an, der im Sturm pendelte. Wie er sich dabei bewegte und drehte, glich er einem gefangenen Tier, das sich in seinen Fesseln wand.
»Einen Augenblick lang«, er zögerte kurz, »sah ich sein Gesicht nur verschwommen, wie durch eine Art Nebel …«
»Was für einen Nebel? Ich habe nichts gesehen.«
»Das hat meine Mutter damals auch nicht. Nur ich habe es bemerkt.«
»Ja, und? Was hat das zu bedeuten?«, fragte Kilian kopfschüttelnd.
»Das wir uns beeilen müssen.« Padraich stockte, als müsse er gegen den Wind ankämpfen, der immer stärker wurde und ihm den Atem in den Hals zurückzustoßen schien. »Einen Tag später war derjenige, bei dem ich den Nebel gesehen habe, tot!«
Kilian sah ihn bestürzt an, dann murmelte er: »Das tut mir leid.« Stumm gingen die Jungen zur Bibliothek, wo sie Ultan ihre Tafeln aushändigten.
***
Am nächsten Tag lauschten die beiden gebannt, wie Grellan von den widrigen Winden erzählte, die Brendans Fahrt behindert hatten, bis der Heilige mit seinen Begleitern zuletzt die fruchtbare Insel der Schafe erreichte, von deren Felsenufer sich zahllose Bäche ins Meer ergossen. Hier konnten sich die entkräfteten Seefahrer erholen und die freundlichen Einwohner gaben ihnen Nahrung für die Weiterfahrt.
»Doch die nächste Insel, auf der sie landeten, war klein und flach«, berichtete der alte Mönch mit bedeutungsschwerer Stimme. »Sie machten ein Feuer und setzten einen Kessel auf, um gefangene Fische darin zu kochen, als auf einmal der Boden zu schwanken begann. Alle rannten in die Boote, sie ließen den Kessel zurück und sahen von Ferne, wie die Insel durchs Wasser rauschte und dann versank.«
Kilian runzelte die Stirn, während Padraich zweifelnd fragte: »Einfach so versank?«
Grellan nickte bekräftigend. »Ja, denn sie waren auf dem Rücken von Iasconius gelandet, dem größten aller Wale. Doch Gott der Herr hielt seine schützende Hand über sie, denn sie sollten noch viel mehr Unglaubliches erleben.« Grellan erzählte weiter: von der Insel der sprechenden Vögel, in Wahrheit die Seelen sündiger Menschen, von den in der Tiefe des Ozeans lauernden Ungeheuern und der meerumtosten Felseninsel, wo sie widrige Winde immer wieder abtrieben. Erst nach dreitägigem Beten und Fasten fanden die erschöpften Mönche zu guter Letzt eine Bucht, in der sie
Weitere Kostenlose Bücher