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Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Titel: Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Roux
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Ich glaube, ich sollte es den anderen erzählen.«
    »Tu das«, sagt er und nickt so energisch, dass seine Locken fliegen. »Aber ich garantiere dir, dass sie dasselbe sagen werden.«
    »Danke«, sage ich ihm, »fürs Zuhören.«
    »Macht’s dir was aus, wenn ich noch bleibe? Ich könnte eine Gutenachtgeschichte vertragen.«
    Wir drehen das Radio an und blasen die Kerze aus. Die Stimme ist da, der Fremde. Wir liegen absolut still in der Dunkelheit, beide auf dem Rücken, und lauschen Dappers Atem und der tiefen, rhythmischen Stimme, die aus dem Radio kommt. Ich kann nicht umhin, über das Rätsel solcher Dinge nachzugrübeln, solcher Technologie, um die ich mich nie gekümmert, über die ich nie auch nur nachgedacht habe. Es ist, als ob ein vollständig neuer Mensch hier bei uns wäre. Ein Mann, dem ich noch nie begegnet bin, von dem ich weiß, dass er mir in absehbarer Zeit völlig vertraut sein wird. Er ist da, liest vor, seine Stimme wird als Millionen kleiner Schwingungen verbreitet, die eine Geschichte transportieren, Wörter, Wärme. Wir liegen ruhig und leise da, und ich spüre meinen Atem aus meinen Lungen entweichen, zum Radio treiben und durch den Lautsprecher eindringen, um über unsichtbare Luftströme den Fremden mit der hypnotisierenden Stimme zu besuchen.
    Die Stimme liest aus Das Erwachen, und ich kann nicht umhin, an meine Mom zu denken. Ich wünschte, sie wäre hier, um zuzuhören, mich zu beruhigen. Es wäre viel leichter, sich einfach zu entspannen und das Radio zu genießen, wenn ich wüsste, dass sie noch am Leben ist, wenn ich wüsste, sie schafft es bis hierher und liest mir noch mal so vor, wie sie es früher getan hat. Sie ist da draußen, ich weiß es. Ich hoffe, meine eindringlichen Gedanken schaffen es, sie sicher zu geleiten.
    KOMMENTARE
    Isaac:
    3. Oktober 2009 21:08 Uhr
    Hast du immer noch nichts von deiner Mom gehört?
    Allison:
    3. Oktober 2009 21:29 Uhr
    Bis jetzt nicht. Ich geb mir Mühe, nicht in Panik zu geraten, aber sie darf nicht mehr lange brauchen. An einem normalen Tag geht man zu Fuß fünfundvierzig Minuten von hier zu ihrem Haus. Ich fürchte nur, solche Zeitspannen bedeuten jetzt nichts mehr.
    Brooklyn Girl:
    3. Oktober 2009 22:09 Uhr
    Hey, wenn sogar wir noch hier rumhängen, wird sie es schon schaffen. Gib die Hoffnung nicht auf, Allison.

4. O KTOBER – S INN UND S INNLICHKEIT
    »Gibt’s was Neues?«
    »Nichts. Keinen Piep. Da draußen wanken ein paar Dümpler herum, aber keine Spur von ihr.« Ted legt mir eine Hand auf die Schulter und drückt mich leicht. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Wenn ich weine, ist es, als akzeptierte ich, dass sie nicht kommt. Ich werde nicht weinen. Auf keinen Fall. Ich muss mich konzentrieren, konzentrieren und führen.
    Und so ging das Treffen vonstatten, wie ich es erwartet hatte.
    Niemand brach in besondere Begeisterung aus bei der Idee, die Apartments jetzt wieder zu verlassen. Phil erwähnte die Möglichkeit, unter den Versammelten in der Turnhalle der Universität verlorene Familienmitglieder wiederzufinden. Janette fand diese Vorstellung vielversprechend und spannend. Matt führte aus, dass eine einzelne Mutter, die ein Kind trägt und sechzehn Kilometer durch gefährliches Gelände marschiert, eine Ausnahmeerscheinung sei und nicht als normal betrachtet werden könne. Natürlich war das sein unbeholfener Versuch, Phil beizubringen, wie absolut unwahrscheinlich es war, dass seine dicke, gutmütige Frau (oder auch ihre beiden Kinder) die weit über zwanzig Kilometer von ihrem beigen Bungalow bis zur Universität hat überwinden können. Phil machte einen ziemlichen Aufstand deswegen, aber etwas sagte mir, dass er insgeheim fühlte, wie recht Matt hatte.
    Ted, der die meiste Zeit des Meetings damit verbracht hat, mich aus einer Ecke des Wohnzimmers durch seine immer noch schief nach rechts hängende Brille finster anzustieren, fängt mich ab, als die anderen zum Abendessen gehen. Wir stehen alleine im Wohnzimmer, zwischen uns die niedrige Glasplatte des Kaffeetischs. Ich erkenne, dass er auf Krawall gebürstet ist, sich aber zusammenreißt, um nicht zu hitzig aufzutreten.
    »Schon in Ordnung«, sage ich, »du kannst es ruhig sagen. Mach nur. Ich weiß, was du denkst.«
    Ted versagt die Stimme, seine Lippen pressen sich so fest zusammen, dass sie aussehen wie ein verkrampfter Seestern kurz vor dem Ersticken. Ich kann die Gedanken in seinen Augen flackern sehen, die Entscheidungen, das vorsichtige Erwägen der

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